Polen, so nah und doch so fremd. Zwischen Polen und Deutschland, manchmal auch in der DDR.

Gastbeitrag aus dem Eastsplaining Substack(2) – „Die Ukraine ist wie Irland“

Es ist meine Übersetzung der Beiträge aus Eastsplaining Substack, der Autor dieser Texte ist mit der Übersetzung und Veröffentlichung einverstanden. Quelle (englisch): https://eastsplaining.substack.com/p/ukraine-is-like-ireland

------------------------ Anfang des Gastbeitrages ------------------------

Die Ukraine ist wie Irland

Russisch zu sprechen, bedeutet nicht Russe zu sein

Stelle dich vor, du surfst in den sozialen Medien, kümmerst dich um deine eigenen Angelegenheiten und plötzlich stößt du auf einen folgenden Plan für Irland:

Irland sollte mit dem Vereinigten Königreich wiedervereinigt werden. Dies ist ein historisch englisches Territorium. Die Mehrheit der Bevölkerung spricht Englisch, sie sind eigentlich Briten, die mit der nationalistischen irischen Ideologie einer Gehirnwäsche unterzogen wurden. Die irischen Nationalisten sind Terroristen und Nazis (erinnern Sie sich an William Joyce? Warum spricht niemand über ihn? Was versuchen die Mainstream-Medien zu verbergen?). Irland ist ein künstliches Land, es war vor 1922 nicht auf der Landkarte (Irrtum von Lloyd George!). London hat jedes Recht, Dublin zu bombardieren, um die englischsprachige Bevölkerung zu schützen.

Du wirst es wahrscheinlich für das Dümmste halten, was du heute gelesen hast. Auch wenn man Promi-Klatsch auf Instagram in Betracht zieht.

Herzlichen Glückwunsch, jetzt fühlst du dich wie die Osteuropäer, wenn uns Elon Musk, Roger Waters oder Tucker Carlson mit ihrem Expertenwissen über unsere Region aufklären. Jeder Satz in diesem Absatz ist eine direkte Parodie auf ähnliche Behauptungen in Bezug auf die Ukraine („Die Ukraine hat vor 1917 nicht existiert! Chruschtschows/Lenins Fehler! Sie sprechen Russisch! Dies sind historisch russische Länder! Und was ist mit dem Bandera?“).

Eine Behauptung finden wir besonders ärgerlich. Es ist die Annahme, dass „Russisch sprechend“ mit „Russisch“ verbunden ist (und die unmittelbare Schlussfolgerung, dass jemand, der „Russisch spricht“, es einfach nicht erwarten kann, von Putin „beschützt“ zu werden).

Irgendwie scheinen die Menschen im Westen ziemlich an die allgemeine Vorstellung gewöhnt zu sein, dass Englisch zu sprechen noch lange nicht heißt, ein Engländer zu sein. Du könntest ein englischsprachiger Ire, ein englischsprachiger Kanadier, ein englischsprachiger Amerikaner oder vielleicht sogar ein englischsprachiger Australier sein (genauer nachgedacht - streiche das letzte Beispiel).

Frankophon zu sein, macht dich nicht zu einem Franzosen. Spanisch zu sprechen macht dich nicht zum Spanier. Selbst das Schwedisch Sprechen macht dich nicht zu einem Schweden (es gibt eine beträchtlich große Population schwedischsprachigen Finnen).

Wenn du dich die Karte der heutigen Welt ansiehst und sie mit einer historischen Karte von, sagen wir, 1830 vergleichen, wirst du auf ersterer viele Länder finden, die auf letzterer fehlen. Sind sie alle „künstlich“?

Sie haben sich ihren Platz auf dieser Landkarte erobert, indem sie Kriege geführt, Aufstände organisiert und Revolutionen begonnen haben. Das gilt für die Ukraine genauso wie für Belgien oder Finnland. Wenn die Ukraine künstlich ist, dann ist jedes Land künstlich.

Ich werde es in den folgenden Beiträgen weiter untersuchen, aber erwäge vorerst bitte die Verwendung des „Irland-Kriteriums“. Wenn eine Argumentation für Irland falsch ist, ist sie für die Ukraine wahrscheinlich ebenso dumm.
So wie es sehr einfach ist, sich einen irischen Nationalisten vorzustellen, der keine andere Sprache als Englisch spricht, ist es ebenso einfach, sich jemanden vorzustellen, dessen Muttersprache Russisch ist, der die orthodoxe Kirche besucht, russische Musik hört, russische Bücher liest, Banja genießt, Wodka trinkt, den Kasatschok tanzt - und sich überhaupt nicht russisch fühlt. Er fühlt sich vielleicht als Este, Moldawier oder Georgier und zeigt stolz einen Autoaufkleber „RUSSKY VOYENNY KORABL IDI NAKHOOY“ auf seinem Schiguli (natürlich in Kyrillisch).

Dieser Typ könnte jetzt sogar für die Ukraine kämpfen.

------------------------ Ende des Gastbeitrages ------------------------

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Betreff:

Kategorie:Ostklärung

Kommentar

Gastbeitrag aus dem Eastsplaining Substack (1) – „Warum, für wen und wofür“.

Es ist meine Übersetzung der Beiträge aus Eastsplaining Substack, der Autor dieser Texte ist mit der Übersetzung und Veröffentlichung einverstanden. Quelle (englisch): https://eastsplaining.substack.com/p/why-and-who-and-what-for

------------------- Anfang des Gastbeitrages -------------------

Warum, für wen und wofür

Ich bin kein Experte für irgendetwas, aber ich lese viel und reise viel. Besonders in Mittel- und Osteuropa, wo ich lebe. Der Krieg in der Ukraine ist wahrscheinlich eines der wichtigsten politischen Ereignisse meines Lebens (wenn nicht sogar DAS wichtigste!), daher habe ich in letzter Zeit besonders viel über dieses Thema gelesen.

Mir ist aufgefallen, dass manche Leute im Westen ein sehr vages Verständnis von osteuropäischer Politik haben. Das ist in Ordnung, ich weiß auch so gut wie nichts über Afrika oder Lateinamerika.

Der schwierige Teil ist, wenn die Westler anfangen, über unsere Region zu dozieren, indem sie den grundlegenden Mangel an Verständnis der Dinge zeigen, z.B. durch Verwechselung von „Russischsprachigen“ mit „Russen“. Wir nennen es „Westsplaining“.

Dieser Substack ist ein Versuch, Dinge für alle Interessierten zu „Eastsplainen“. Im Idealfall könnte es ein Treffpunkt für Ost und West, zum höflichen und aufschlussreichen Gedankenaustausch werden. Aber ich wurde ja auch nicht erst gestern geboren, also erwarte ich mir nicht viel von Diskussionen im Internet.

Dennoch: Sollten Sie sich entscheiden, einen Kommentar zu posten, bitte ich Sie demütig, höflich und beim Thema zu bleiben und keine ethnischen Beleidigungen (und überhaupt keine Beleidigungen) zu verwenden. Die Kommentare werden nach diesen Grundsätzen moderiert.

------------------- Ende des Gastbeitrages -------------------

Kommentare werden auch hier nach den im Gastbeitrag erwähnten Regeln moderiert.

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Betreff:

Kategorie:Ostklärung

Kommentar

Reaktivierung – des Krieges wegen.

Mein Blog war schon seit mehreren Jahren tot, das kann ich nicht leugnen. Als Entschuldigung: Ich hatte (selbstverschuldete) technische Probleme mit meinem (selbstgehosteten) WordPress. Als ich die endlich beheben konnte, wurde ich kurz darauf zum Freiberufler und hatte überhaupt keine Zeit mehr etwas zu schreiben. Es kam fast gleichzeitig mit dem Anfang des Ukraine-Krieges.

Seit schon fast einem Jahr sehe ich, dass die Deutschen kaum die Problematik der Länder verstehen, die zwischen der deutschen Ostgrenze und Russland liegen. Das betrifft sowohl Polen und andere Länder die bereits in EU sind, wie Litauen, Lettland, Estland, Slowakei, usw., als auch diese, die noch mehr oder weniger in russischer Einflusszone sich befinden, wie Weißrussland und eben Ukraine.

Und letztens sprach ich mit deutschen Russlandversteher, und das war ein Grauen! Die hatten genau die gleichen "Argumente", die russische Propaganda immer wieder jedem einprägen will! Woher weiß ich, was die russische Propaganda wirklich sagt, könnt ihr fragen? Ich kann nämlich Russisch. Vor Paar Jahrzehnten Sprach ich Russisch ganz gut und konnte flüssig die kyrillische Schrift lesen.  Danach hatte ich nur wenig Kontakt mit dieser Sprache, trotzdem verstehe ich problemlos, was auf Russisch gesagt wird. Russisch lesen kann ich immer noch, auch wenn nicht mehr so schnell. Und seit dem Beginn des Krieges schaue ich täglich, was die Russen und die Ukrainer dazu sagen. Fast alle Ukrainer sprechen russisch, als erste oder zweite Sprache. Und selbst wenn sie Ukrainisch sprechen - ich stellte fest, dass ich es auch gut verstehe. Es ist kein Wunder - ich bin doch ein Pole und die ukrainische Sprache ist eine Sprache zwischen Polnisch und Russisch. Polen und Ukraine haben eine lange (und nicht immer einfache) gemeinsame Geschichte. Diese Geschichte wäre ein super Thema für Beiträge, die den deutschsprachigen Leser den wirklich notwendigen Hintergrund zu aktuellen Ereignissen bringen würden. Aber leider habe ich keine Zeit dafür, was tun?

Glücklicherweise spürte mein Bekannter aus Polen, ein ehemaliger Journalist aus der größten polnischen Tageszeitung, ein ähnliches Bedürfnis, und er schrieb solche Gedanken und Fakten auf englisch nieder. Er war in der Zeitung für populäre Kultur verantwortlich, so sind seine Texte leicht und witzig, trotz des ernsten und korrekten Inhalts. Er hat sie in den letzten Tagen auf Substack veröffentlicht.

Ich schlug ihm vor, dass ich seine Texte ins Deutsche übersetze, dann solle er noch ein Substack anlegen und diese dort platzieren, dafür hat er aber auch keine Zeit. So haben wir vereinbart, dass ich die Übersetzungen hier, in meinen Blog lege. Und jetzt wird es so gemacht!

Die neuen Beiträge werden Kategorie "Ostklärung" bekommen - die Quelle heißt "Eastsplaining", was die offensichtliche Anspielung an "Mansplaining" ist. Und "Mansplaining" ist "Herrklärung" in Deutsch.

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Betreff: ,

Kategorie:Ostklärung

Kommentar

Ein polnischer Bischoff kommt selten allein – Polen und die Kirche bis 1918

Nach einer langen Pause - ich habe leider nicht genug Zeit zum regelmäßigen bloggen - gibt es wieder neue Folgen. Das Thema ist der schwierige Verhältnis zwischen Polen und der katholischen Kirche.

Wie es schon im einem der letzten Beiträge erläutert wurde, sind die angeblich erzkatholischen Polen in der Masse keine richtigen Gläubigen, selbst wenn sie zur Messe gehen. Jetzt beschäftige ich mich genauer mit den Leuten, die die Messe halten.

Die polnische katholische Kirche unterscheidet sich erheblich von der deutschen. Die Unterschiede sind besonders deutlich ganz unten, in den Pfarreien zu sehen, das ist aber ein anderer Mikado-Stab. Selbst den heutigen Stab trenne ich in mehrere Teile - der Text wurde immer länger und sprengte langsam, aber deutlich die sinnvollen Rahmen für ein Beitrag. Heute werde ich über der Kirche in Polen bis 1918 schreiben, der nächste Beitrag wird über der Zeit zwischen den Weltkriegen handeln, zum Schluss die restliche Geschichte der katholischen Kirche in Polen. Und dann noch ein, über der heutigen Lage. Also zurück zu katholischer Kirche.

Die Geschichte der Kirche in Polen war eine ganz andere als in Deutschland. Die deutsche katholische Kirche hat seinen besten Tage schon längst hinter sich. Vor mehr als 200 Jahren herrschte sie aber über einen bedeutenden Anteil der Fläche der deutschen Länder. Die Fürstbischöfe vereinten die geistliche Macht mit der säkularen, die Kirche war steinreich. In Polen war alles etwas anders. Es gab nur einen, ganz kleinen kirchlichen Herzogtum (Siewierz), in polnischer Sprache entstand sogar kein Wort für einen Bischof, der gleichzeitig ein Fürst ist.

Es bedeutet aber nicht, dass die polnische katholische Kirche keinen Einfluss auf die Politik hatte. Schon der erste polnische Fürst, der Mieszko der Erste, Gründer des polnischen Staates, nahm wahrscheinlich aus politisch-strategischen Gründen das christliche Glauben an (966) und gab auf diese Weise der Kirche Einfluss auf sein Gebiet.  Doch dieser Einfluss war nicht so direkt, wie in Deutschland - die zu direkten Einwirkungen wurden schnell eingedämmt. Einer der frühen polnischen Könige (Boleslaw II der Kühne) wollte im Jahre 1079 keine starke kirchliche Einmischung zulassen. Nach wenigen und etwas unsicheren Überlieferungen hatte der König einen Streit mit dem Bischof Stanislaus von Krakau. Der Streit eskalierte, als Folge exkommunizierte der Bischof den König. Daraufhin verurteilte der König den Bischof zur Tode. Weil aber keiner der königlichen Ritter den Urteil vollstrecken wollte, sollte der König selbst den Bischof in seiner Kirche, beim Altar, während einer Messe, eigenhändig erschlagen.

Ermordung von Stanislaus von Krakau, Bild von Jan Matejko

Ermordung von Stanislaus von Krakau, Bild von Jan Matejko

Der Kirche sich nicht einmischen lassen war vielleicht auf längere Sicht eine gute Idee, kurzfristig hatte sie aber für den König fatale Folgen. Ein Aufstand gegen ihm brach aus, er musste fliehen und kam nie wieder nach Polen zurück. Laut Sage starb er als stummer Büßer im Kloster Ossiach in Kärnten. Der Bischof Stanislaus wurde 1253 als Märtyrer heiliggesprochen. Vielleicht war es diese Geschichte, die die Verhältnisse zwischen Staat und Kirche in Polen nachträglich beeinflusste. Bei der Kirche sitzen diese Ereignisse bis heute - 1963 erklärte der Papst Johannes der XXIII den Hl. Stanislaus zum Schutzpatron Polens, 1979 erhob der Johannes Paul der II. seinen Gedenktag zu einem gebotenen Feiertag. Die Intention ein Zeichen gegen die kommunistische Regierung zu setzen, ist hier deutlich sichtbar.

Aber nicht zu schnell, zurück zur Geschichte.

Der nächste große Problem Polens mit der Kirche war selbst verschuldet. Als Polen Anfang des XIII. Jahrhundert zersplittert war, hatte ein der Herzöge (Konrad I. von Masovien) ein Problem mit seinen prußischen, heidnischen Nachbarn. Weil er damit nicht selbst fertig werden konnte, beauftragte er ein externes Unternehmen. Dieses Unternehmen gehörte indirekt dem Vatikan-Konzern, die Leitung und die meisten Mitarbeitern dieser Firma waren Deutsche. Der Name der Firma war Orden der Brüder vom Deutschen Haus Sankt Mariens in Jerusalem, wie man sieht ein überregionales Großunternehmen. In der Satzung der Firma stand Gesundheitswesen als Branche, in der Wirklichkeit war es eher ein Sicherheitsunternehmen, etwa wie Blackwater/Academi heute.

Die Firma Deutschorden bekam also 1226 den Auftrag, sich um Ordnung auf den prußischen Gebieten zu kümmern,  und bei dieser Gelegenheit Demokratie Christentum auf diese Gebiete zu exportieren. Das Unternehmen hatte zwar schon in seinem Portfolio einen ernsten Streit mit dem Auftraggeber, Herzog Konrad ignorierte es aber und hoffte auf ein besseres Verhältnis. Anfangs ging's ganz gut, aber später machte sich der Auftragnehmer doch wieder viel zu selbständig und griff sogar ab und zu den Auftraggeber an. Als der Herzog den Vertrag kündigen wollte, schaltete die Firma die Konzernzentrale ein. Der Papst erweiterte sogar einseitig den Vertrag (anhand, wie Manche behaupten, gefälschten Unterlagen), und der Deutschorden war fast die nächsten 300 Jahre nicht mehr von diesem Gebiet wegzukriegen. Dieser Vertrag war ein der größten Fehler in der polnischen Geschichte.

Jetzt ein Sprung nach vorne. Während in Deutschland die Reformation tobte, kamen die neuen Strömungen auch nach Polen. Polen war damals relativ tolerant gegenüber anderen Religionen - der Anteil von Juden und Orthodoxen unter der Bevölkerung war groß - aber die polnische katholische Kirche wurde ziemlich schnell mit dieser Ketzerei fertig. Es war wahrscheinlich nur deswegen möglich, dass Polen in dieser Zeit ein starker, zentral regierter, katholischer Staat war, und nicht wie Deutschland ein mehr oder weniger loses Verein von Fürstentümer. Also cuius regio eius religio, aber auf einer höheren Ebene als in den deutschen Ländern. Auf jeden Fall war die Reformation in Polen nur eine relativ kurze Episode, die Abweichler wurden bald aus dem Land vertrieben oder zur Rückkehr zur Katholizismus gezwungen. Dabei muss man aber bemerken, dass es in Polen ohne Inquisition und Scheiterhaufen passierte.

Später verfiel Polen immer mehr. Und die Kirche hatte ihr Anteil daran. Zum Beispiel, als 1791 der polnische Parlament die erste in Europa (und zweite in der Welt, nach USA), sehr fortschrittliche und aus der französischen Aufklärung schöpfende Verfassung verabschiedete, empfand es die Kirche als ein Vorhof der Revolution. Die Verfassung verbat zwar den Abkehr von Katholizismus, sollte aber Polen stärken und den Einfluss der Nachbarstaaten auf das Geschehen in Polen beschränken. Das gefiel natürlich Russland und Preußen nicht. Und auch der Kirche - ihre Macht und ihr Vermögen geriet in Gefahr. Schon früher wurde beschlossen, dass die Kirche mehr Steuer für das Heer als die Anderen zahlen sollte, und es sollte noch mehr werden. Der Papst (Pius VI.) verbat sofort, irgendetwas positives von dieser Verfassung zu sagen. Und er wandte sich gleich an die Zarin Katharina, sie möge diesem Blödsinn ein Ende setzen.

Und schon damals liefen solche Unternehmen genau wie auch heute: Man nehme ein Paar (am besten bekannten) Bürger des Ziellandes und bewegt sie (mit Hilfe der Peitsche und/oder Zuckerwasser) offiziell um Hilfe zu bitten. Wir könnten so etwas zuletzt in Ukraine in Sachen Krim beobachten. In Polen damals ging's ganz ähnlich - mehrere ultrakatholische Adeligen und Bischöfe verfassten in St. Petersburg ein Manifest, in dem sie die Verfassung als nichtig erklärten und baten Russland die Ordnung wieder herstellen zu helfen. Natürlich wurde es nicht veröffentlicht, dass das Dokument in Russlands Hauptstadt geschrieben wurde - offiziell hieß es, es passierte in einem Grenzstädtchen namens Targowica (der Name stammt ironischerweise vom targować - feilschen)  - deswegen heißt dieses Komplott Könfederation von Targowica (Übrigens - genau gleiches Drehbuch wurde 1944 gespielt, als die Russen im II. Weltkrieg Polen erreichten). Die Folge war ein polnisch-russisches Krieg und die Zweite Teilung Polens. Im Laufe des Krieges und danach folgenden Kościuszko-Aufstand wurden mehrere Bischöfe erhängt - wegen Verrat und Veruntreuung großer Summen aus der Staatskasse.

Die Kirche präsentierte sich immer (und präsentiert sich auch weiter) als Hüter der Tradition und Verfechter der Unabhängigkeit Polens, viele Priester waren es auch, aber die Hierarchen machten es oft nur vor. Die Meisten folgten immer der Richtung, die die größten Vorteile der Kirche bringen sollte. Und diese Richtung war nur selten die Unabhängigkeit und Stärke Polens. Es tut weh zu sehen, wie heute die Kirche die Jahrestage der Verfassung von 1791 groß feiert und die Meisten glauben, die Kirche war damals dafür. Es ist eine riesige Lüge.

Aber eigentlich war die Teilung Polens der Kirche doch nicht ganz recht. Von den drei Besatzungsmächten war nämlich nur eine - der kaiserliche Österreich - katholisch. Die Russen waren aber orthodox und die Preußen evangelisch. In den österreichischen Gebieten hatte also die Kirche kein Problem und stand treu an dem Kaiser. In den anderen Gebieten wäre es der Kirche lieber, etwas mehr Einfluss zu bekommen und (besonders unter Preußen) der Säkularisierung entgegenzuwirken. Bei den Russen die Garantie für die kirchliche Macht und Einfluss zu suchen war schlicht und ergreifend naiv.

Das waren einige Stationen der gemeinsamen Geschichte Polens und der katholischen Kirche bis 1918. Nicht besonders lustig. Die nächste Folge wird aber mehrere komische Elemente enthalten. Stay tuned.

Ähnliche Beiträge:

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Betreff: , ,

Kategorie:Polnisches Mikado

Kommentar

Dieser Blog ist nicht tot!

Nein, dieser Blog ist gar nicht tot. Neue Beiträge gibt es seit längerer Zeit nicht, im Hintergrund wird aber gearbeitet. In der Vorbereitung sind mehrere Beiträge über Verhältnis zwischen Polen und der Kirche im Laufe der Jahrhunderte. Ich will hier kein blödes Gequatsche haben, die Beiträge sollen durchdacht und gut recherchiert sein - deswegen muss es dauern und ich kann keine zwei Beiträge pro Woche liefern, wie es sich eigentlich für einen erfolgreichen Blog gehört. (na ja, wenn jemand es gut bezahlen würde...)

Mehrere Folgen stehen also kurz vor der Bereitstellung.

Und noch eine Sache die ich zuerst machen will - es gibt immer noch ein Problem mit der Benutzerregistrierung auf Deutsch. Es wundert mich, dass es bisher keine Lösung für das Problem für WordPress gibt - ich kann aber keine fertige finden. Offensichtlich muss ich selber ran und ein Plugin dafür alleine entwickeln. Den Lösungsansatz habe ich schon, ich muss es noch implementieren und testen. Und wenn es funktioniert, will ich es veröffentlichen.

Also bis bald.

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Betreff:

Kategorie:Organisatorisch

Kommentar

Ein Pole ist immer katholisch

Bierki-006Wenn man sich zufällig am Sonntag in der Nähe einer Kirche in Deutschland befindet, wo gerade eine Messe in Polnisch gehalten wird, sieht man es - die Masse der polnischen Katholiken. Es sind so viele, dass sie auch vor der Kirche stehen müssen, manche sogar an der anderen Straßenseite.

Moment aber, wieso an der anderen Straßenseite? Die können doch den Priester weder sehen noch hören! Und vor der Tür ist noch genug Platz, vermutlich würden die alle noch in die Kirche passen! Wer sind sie und was machen sie denn dort?

Die Antwort auf die Identitätsfrage ist einfach zu beantworten: Es sind meistens polnische Bauarbeiter, die aus Kleinstädten oder Dörfer stammen und zeitweise auf deutschen Baustellen arbeiten.

Was sie an der anderen Straßenseite machen? Eine direkte Antwort ist auch einfach, klärt aber wenig: Sie stehen dort. Viele sind extra für die Messe in Polnisch aus der Umgebung angereist, oft stellt ihr polnischer Arbeitgeber ein Kleinbus für die Anreise bereit. Manche von den Angereisten gehen wirklich in die Kirche, die Anderen reisen zwar mit, stehen aber an der anderen Straßenseite. Nach der Messe kommen alle zusammen zum ihren Wohnort zurück. Könnt ihr das verstehen? Sicher nicht.

Dafür ist euer Polenblog-Man da - um Polen verständlich zu machen.  Ich erkläre es euch.

Laut Klischee ist jeder Pole katholisch. Auch nach offiziellen Statistiken polnischer Katholischer Kirche ist etwa 95% Polen katholisch. Wie werden sie gezählt? Es ist einfach, das sind alle die getauft wurden. Kirchenaustritte gibt es kaum.

Na ja, man sagt manchmal, der Superlativ von Lüge heißt Statistik. In Deutschland werden die Gläubigen anders gezählt - sein Glauben muss man besteuern und das zählt von den Kirchen unabhängig der Staat. Die Folge ist, dass man ohne große Probleme aus der Kirche heraustreten kann - man muss es einfach bei einem Amt melden. In Polen dagegen gibt es kein Kirchensteuer, kaum unabhängige Zählungen und praktisch keine Austrittsmöglichkeit aus der Kirche.

"Keine Austrittsmöglichkeit" ist vielleicht nicht vollkommen richtig. Man muss nur über 18 sein, mit nur zwei glaubhaften und getauften Zeugen zur Pfarrei kommen, wo man getauft wurde, und wenn der Pfarrer keine willkürlichen Probleme macht, kann man eine Bescheinigung bekommen, man sei ausgetreten. Weil aber die kirchliche Datensammlung dem staatlichen Datenschutzgesetz nicht unterliegt, kann man gar nicht überprüfen, ob eigener Name nicht mehr in den kirchlichen Büchern steht. Ist es ein Wunder, dass nur die wenigsten sich die Mühe geben, auf diese Weise auszutreten?

Es gibt aber eine bessere, fast glaubhafte Statistik der Gläubigen in Polen. Sie wird von der Kirche selber vorbereitet  und zwar: An einem Sonntag im Jahr werden in jeder Kirche an allen Messen die Besucher (dominicantes) und diese, die zur Kommunion hinzutreten (communicantes) gezählt. Die Teilnahme an der Sonntagsmesse ist jedes Katholiken Pflicht, nur diese die es nicht können (Kranken, Alten usw.) sind entschuldigt. So müsste die Anzahl der dominicantes ein gutes Maß der Anteil der Katholiken sein. Die Ergebnisse werden nicht als absolute Zahlen veröffentlicht, sondern als Prozentwert der Leute, die eigentlich zur Sonntagsmesse kommen sollten. Laut der beschriebenen Methodologie wird bei der Erhebung angenommen, dass 82% der Bewohner des jeweiligen Gebietes zur Messe kommen sollten - Anteil der Kleinkinder, Alten, Kranken und Nichtgläubigen wurde pauschal auf 18% gesetzt.

Trotz dieser Schönrechnung kam die Statistik 2012 (hier LINK) auf genau 40% dominicantes im Landesdurchschnitt. Noch mal: Es ist nicht 40% der Bürger, sondern 40% von diesen, die eigentlich als Katholiken kommen sollten und könnten! 2012 gab es also in Polen etwa 32,8% aktive Katholiken. Auch wenn wir die Alten und Kranken dazu zählen, werden wir sicher auf eine Zahl deutlich unter 50% kommen.

Noch eine Zahl wird ermittelt - Anzahl deren, die zur Kommunion hinzutreten (communicantes). Und das waren 2012 im Landesdurchschnitt nur 16,2%.  Also nur etwa 40% der Messebesucher!

Wenn jemand in Deutschland mal eine katholische Messe gesehen hat, weiß es -  fast alle Messebesucher nehmen hier an der Kommunion teil. Die Kommunion ist doch ein Kernstück des christlichen Glaubens. Nur wenn auf einem eine schwere Sünde lastet, darf er nicht zur Kommunion. Was ist mit polnischen Katholiken? Welche schwere Sünden lasten auf ihnen?

Kaum einer wagt es so klar und deutlich zu sagen, ich tue es aber: Die meisten dieser 60%, die in der Kirche sind aber nicht zur Kommunion hinzutreten, sind in der Wirklichkeit keine Gläubigen. Warum gehen sie doch zur Messe? Hier gibt es viele Gründe, z.B.:

  • Weil ihre Eltern/Großeltern/Lebenspartner usw. es wollen. Und es ist einfacher einmal in der Woche die Stunde abzusitzen, als ständig im Konflikt zu bleiben oder die Familie kaputt zu machen.
  • Weil sie Angst haben sonst ausgegrenzt oder schikaniert zu werden. Diese Motivation gibt es meistens in Kleinstädten und Dörfer, manchmal ist diese Angst auch berechtigt. Aber auch wenn unberechtigt, bleibt der Angst da.
  • Weil es für sie eine Tradition oder eine Angewohnheit ist. Oder ein Ritual im Sinne der Zwangsverhalten.
  • Weil sie ein Zugehörigkeitsgefühl brauchen, und die katholische Kirche ist die am einfachsten erreichbare Gemeinschaft, ohne Beitrittsgebühren, Verbindlichkeiten usw.
  • Weil sie einen starken Anführer oder Wegweiser brauchen um seine Angst unter Kontrolle zu halten.
  • Weil sie dort ihre Freunde treffen.

Versteht ihr jetzt, wer diese Leute sind, die an der anderen Straßenseite stehen?  Es sind diese, die keine Gläubigen sind, nicht wirklich in die Kirche wollen, aber Angst haben von Kollegen ausgelacht zu werden (Es ist eher in ihren Köpfen, als eine wirkliche Bedrohung). Oder wollen nach dem Rückkehr nach Polen seine Frau, Mutter oder seinen Pfarrer nicht dreist belügen - Sie gingen doch in die Kirche!  Oder sie wollen nach der Messe mit seinen Freunden einen trinken gehen.

Eine andere Frage ist aber: Wie viele von den communicantes auch so denken?  Das ist aber ein anderes Mikado-Stab, den ziehe ich ein anderes Mal.

Ähnliche Beiträge:

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Betreff: , ,

Kategorie:Polnisches Mikado

Kommentar

Wer ist Kowalski?

Wenn man Hollywood-Filme schaut oder Bücher der US-amerikanischen Autoren liest, findet man dort immer wieder einen Helden namens Kovalsky, Kowalsky oder Kowalski.

Er wurde zum Beispiel von Clint Eastwood im Film "Gran Torino" gespielt, es gab ihn im Buch "Cryptonomicon" von Neal Stephenson (zwar nur in einer kleinen Episode) und ein der Madagaskar-Pinguine heißt auch so. Und das sind nur die Beispiele, die mir gleich in den Kopf kamen, davon gibt es viel mehr. Wer ist dieser Kowalski?

Walt Kowalski

Das ist Walt Kowalski (Filmplakat Gran Torino, Warner Bros. 2008)

Fangen wir mit dem Namen an. Kowalski ist der zweitpopulärste polnische Nachname, es stammt von kowal - also Schmidt. Der ursprüngliche Berufsname hat noch die Adelsendung -ski bekommen, Kowalskis gehören aber dem Adel nicht. In Polen gab es 2009 über 140.000 Kowalskis. So nebenbei: Interessant ist, dass in vielen Länder die Vertreter dieser Berufsgruppe den meisten Nachkommen hatten 😎 .

Matt Kowalski

Das ist Matt Kowalski (Gravity, Warner Bros. 2013)

Der Kowalski ist also ein Pole, oder mindestens polnischer Abstammung. Das ist aber nicht alles. Der Name Kowalski ist bei den US-Amerikanern mit ganz bestimmten Charakterzügen und einer ganz bestimmten Figur verbunden - ist also ein Teil eines Stereotyps. Wenn dieser Name fällt, braucht der Held nicht weiter vorgestellt werden. Wir, in Europa, wissen es aber meistens nicht. Was für eine Figur ist er also?

Schauen wir am besten auf den Madagaskar-Pinguinen, solche Comicfiguren entsprechen meistens den Stereotypen ziemlich gut. Der Pinguine Kowalski ist kein Führer wie der Skipper, kein Neuling wie der Private, und kein Psychopath wie der Rico. Der Kowalski ist ein intelligenter, pflichtbewusster, erfahrener und mutiger Soldat. In einem Kinderfilm passiert es natürlich nicht, aber oft opfert ein Kowalski sein Leben im Kampf. Also ein Gegenteil des deutschen Polen-Stereotyps.

Madagascar-Pinguine Kowalski

Das ist auch ein Kowalski (Die Pinguine aus Madagaskar, Dreamworks Animation, 2008- )

Woher kommt dieser Unterschied? Warum ist ein stereotypischer Pole für einen Deutschen ein fauler, betrunkener Dieb und für die militaristisch verrückte Amerikaner ein Kriegsheld der Extraklasse?

Na ja, es ist offensichtlich dass keine Nation einheitlich ist. Die Deutschen werden als "Nation der Dichter und Denker" angesehen (ich, als Ingenieur, würde hinzufügen: "Nation der hervorragenden Ingenieure und Wissenschaftler"), anderseits gibt es auch den Stereotyp eines Deutschen als einen grausamen, gefühllosen Massenmörder.

Zum Glück ist Deutschland vorwiegend zeitlich gespalten und der böse Deutsche ist eher Geschichte. Polen sind aber auf eine ganz andere Weise gespalten  - die beiden Arten von Polen gibt es gleichzeitig und zwar seit Jahrhunderten. Was sind es für Arten?

Die eine Art entspricht ziemlich genau dem in Deutschland herrschenden Stereotyp. Ein Pole dieser Art ist faul, trinkt viel, das Konzept von "Eigentum" ist für ihn unverständlich. Er lebt den Moment und trifft überhaupt keine Vorsorge für die Zukunft. Er versteht keine Verbote und Gesetze (siehe können/dürfen Missverständnis). Manche Vertreter dieser Art machen alles kaputt, nur um Spaß dabei zu haben. Gleichzeitig preist er laut seine Nationalität und sein Glauben an Gott, ja, er sei besser als die allen Anderen. Diese Art betreibt die berüchtigte polnische Wirtschaft.

Die andere Art ist pflichtbewusst, fleißig, schlicht, oft klug oder sogar genial. Von dieser Art stammen die allen Polen die mit eigener, harter Arbeit etwas erreicht haben. Beispiele später.

Natürlich ist es keine diskrete Trennung, auch die pflichtbewusstesten Polen haben rebellische Neigungen, was aber oft ihre Kreativität positiv beeinflusst. Und auch die faulsten haben manchmal Anfälle der Genialität (leider meistens falsch gerichtete). Wo kommt diese Spaltung aber her?

Diese Frage ist sehr schwierig zu beantworten. Ich konnte schon einige Erklärungsversuche lesen, aber keinen wirklich überzeugenden. Manche wollen glauben, die eine Art stamme von dem Adel, die andere von den Bauern ab. Welche Art von wem wird aber auch verschieden gedeutet. Um es zu erklären, muss ich Paar Sätze über die Geschichte Polens schreiben.

Im alten Polen gab es relativ viele Adelige - bis zu 10% der Gesellschaft. In anderen europäischen Ländern waren es lediglich 1-3%. Der hohe Anteil bedeutete aber, dass die restliche Bevölkerung umso mehr für die Adeligen arbeiten müsste, anderseits auch dass viele Adelige nicht wirklich reicher als manche Bauer waren und manchmal auch seine Acker selber bearbeiten mussten. Es gab auch welche, und zwar ziemlich viele, die praktisch nichts hatten.

Gleichzeitig hatte jeder Adelige, egal wie arm, Recht an der Königswahl teilzunehmen und Verabschiedung jedes Gesetzes mit einer einzigen Gegenstimme (liberum veto) zu verhindern. In der Konsequenz waren die Stimmen der verarmten Adeligen leicht und billig käuflich, gegen Geld oder einfach gegen Alkohol.  Der polnische Staat wurde dadurch handlungsunfähig, und verfiel schließlich.

Ein durchschnittlicher polnischer Adelige war also nicht reich, nicht ausgebildet - die meisten absolvierten nur eine einfache Kirchenschule - konnte nichts wirklich außer kämpfen, Geld ausgeben (was er nicht hatte) und sich besaufen. Sie lebten den Moment... Das kennen wir doch schon, oder?

Die Opposition Adel - Bauern taugt aber nicht als Kriterium für die Entstehung der zwei Polenarten - den durchschnittlichen Bauern ging es nicht besser. Die meisten lebten in Leibeigenschaft und mussten bis zu 10 Mann-Tage (pro Familie) in der Woche auf dem Feld seiner Grundherren arbeiten. Beim Bedarf auch mehr. Sie waren natürlich an effektiver Arbeit gar nicht interessiert. Sie konnten kaum etwas frei entscheiden, so lebten sie den Moment... Seht ihr das wiederkehrende Muster hier?

Ich will hier kein Geschichtsbuch schreiben, so weiter nur Stichwortweise:

  • In Polen gab es kaum Reformation - die katholische Kirche gewann schnell die Oberhand. So konnten sich in Polen die protestantischen Tugenden nicht wirklich ausbreiten.
  • Großer Teil der reicheren Stadtbewohner in Polen war deutscher oder jüdischer Abstammung und war nicht besonders gut in die polnische Gesellschaft integriert.
  • in XVIII Jahrhundert wurde Polen geteilt und verschwand völlig. Das Gefühl der Gemeinschaft litt dabei sehr stark.
  • Danach kam der Napoleon, viele Polen (eher die pflichtbewussten) verloren sein Leben im Krieg oder gingen ins Exil.
  • Dann kamen die weiteren Kriege, besonders im Zweiten Weltkrieg starben (oder wurden gezielt ermordet) viele gut ausgebildete und pflichtbewusste Polen.
  • Kommunismus nach dem Zweiten Weltkrieg war auch nicht besonders tugendfordernd

So wundere ich mich jetzt selber, dass es überhaupt noch intelligente, fleißige und pflichtbewusste Polen gibt. Die gibt es aber. Mich zum Beispiel.

Spaß beiseite. Natürlich gab es auch Polen der "guten" Art in jeder Gesellschaftsschicht. Polens Problem war und ist, dass diese "besseren" Polen sich vor allem im Ausland entfalten können. Seit über 200 Jahren gibt es ständig etwas, was das Schaffen in Polen sehr erschwert oder ganz unmöglich macht. Teilung, Krieg, Aufstand, Okkupation, Diktatur, Repressionswelle, Krise... Und noch die "polnische Hölle" - das ist aber ein anderer Mikado-Stab. Welle für Welle wandern Polen aus, freiwillig oder unter Druck, und es sind vor allem eben die Ausgebildeten, Pflichtbewussten, Unternehmungslustigen... Fast jedes Jahrzehnt hat seine Emigrationswelle. Mehr dazu in einem anderen Beitrag.

Die Grundlagen des amerikanischen Kowalski-Stereotypes legten zwei polnische Generäle während des Unabhängigkeitskrieges - es waren die Tadeusz Kościuszko und Kazimierz Pułaski. Kościuszko wurde vor allem als Militäringenieur berühmt, Pułaski als tapferer Krieger. Die beiden werden von den Amerikanern bis heute sehr geehrt. Die echten Kowalskis kämpften aber im Zweiten Weltkrieg und waren eher die Kinder polnischer Auswanderer, die um 1900 in die USA kamen.

Und die alle waren katholisch. Weil jeder Pole ist katholisch, oder? Mehr dazu in der nächsten Folge.

Ähnliche Beiträge:

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Betreff: , ,

Kategorie:Polnisches Mikado

Kommentar

Jeder Pole ist ein Adeliger

In den meisten Ländern wird Adel als die Besseren verstanden, so wollen die Meisten adeligen Vorfahren vorweisen. In Polen ist es nicht anders. Oder noch schlimmer als sonst.

"Schuld" daran ist, meiner Ansicht nach, die polnische Literatur des  19. Jahrhunderts. Und insbesondere ein Autor - der Henryk Sienkiewicz.

"Quo Vadis" Filmplakat

"Quo Vadis" Filmplakat

Henryk Sienkiewicz war ein sehr populärer Schriftsteller dieser Zeit, er hatte auch seine internationalen Erfolge - er wurde 1905 mit Nobelpreis für Literatur geehrt, nicht für ein bestimmtes Buch sondern für die Gesamtheit seiner Werke. Sein international am besten bekanntes Buch (was ihm auch beim Nobelpreis sehr half) war "Quo vadis?" - ein Roman über die ersten Christen. Das Buch wurde 1951 in Hollywood aufwendig verfilmt, mit Peter Ustinov als Kaiser Nero. Es gab noch andere Verfilmungen von diesem Buch, aber keine so berühmt wie diese.

In Polen waren aber seine anderen historischen Romane am populärsten. Zu dieser Zeit existierte Polen gar nicht als selbständiger Staat - es war unter drei Nachbarstaaten geteilt. Die Romane handelten von Zeiten, als Polen, mit Litauen vereint, ein der größten um mächtigsten Staaten in Europa war.

Adenauer w płaszczu krzyżackim

Konrad Adenauer im Deutschordenmantel www.deutsche-und-polen.de

Ein dieser Romane war "Die Kreuzritter" - über Kämpfen zwischen Deutschorden und Polen Anfang 15. Jahrhundert, gekrönt mit der Schlacht bei Tannenberg (1410). Hier geht es um Polens Sieg über die Deutschen, die Darstellung ist sehr schwarz-weiß, die historische Korrektheit bleibt sehr oft auf der Strecke. Das Buch trug maßgeblich zur Bildung des Klischees eines Deutschen als einen grausamen und gefühllosen Massenmörder in Polen bei, es war sogar das erste Buch, was in Polen 1945 nach dem Zweiten Weltkrieg gedruckt wurde. Die Zeichen standen damals nicht gerade auf Versöhnung. Deswegen sorgte etwas später ein Foto des Konrad Adenauer im Deutschordenmantel für solche Unruhe in Polen - er wurde auf diese Weise zum lebenden Albtraum meisten polnischen Patrioten, und Nachkriegsdeutschland zum Erzfeind. Das Buch wurde zum 550. Jahrestag der Schlacht bei Tannenberg verfilmt, der Film ist so eine anti-deutsche Propaganda, dass es für viele Erwachsenen heute schwer zu ertragen ist. Kinder würden so ein Märchen eher akzeptieren, allerdings wenn der Film nicht so brutal und blutig wäre. Wie der Roman auch.

Das Andere von Sienkiewicz war nicht ein Buch, sondern gleich drei, in sechs Bänder, in Polen immer als Die Trilogie (Der Dreibänder) bezeichnet. Es handelt von Kriegen des 17. Jahrhundert - Chmielnitzkij-Aufstand in der Ukraine, Zweiten Nordischen Krieg gegen Schweden und den Osmanisch-Polnischen Krieg. Es sind Abenteuerbücher mit stark ausgeprägtem ideologischem Leitfaden - es ging eindeutig um "Stärkung der Herzen" der Polen unter fremder Herrschaft. Auch diese Bücher wurden verfilmt, aber nicht in Hollywood.

In Deutschland wurde damals meistens über Winnetou gelesen, so wurde eher das edle Rotgesicht zum Vorbild (und ein ebenso edler, cooler und nicht aristokratischer Deutsche), als ein heimischer Adeliger.

Vor Paar Jahren versuchte ich "Die Trilogie" noch mal zu lesen, es ist aber eher etwas für Jugendliche, die Sprache - zwar sehr gutes Polnisch, schön stilisiert - und die Geschichte selbst sprachen mich nicht mehr an.

Aber zurück zum Adel. Die meisten Helden der genannten Bücher sind natürlich adelige Ritter. Die sind adelig, edel, klug, brav, tapfer, tollkühn, fromm... Manchmal zum Kotzen. Diese Figuren prägten die polnische Jugend für einige Generationen - die meisten Jungen wollten wie sie sein. Auch die Mädchen fanden ihre Vorbilder in diesen Büchern.  Als im Zweiten Weltkrieg die Jugend im Untergrund wirkte, wählten sich ziemlich Viele Decknamen aus verschiedenen Sienkiewicz Büchern. Alle hielten sich für Patrioten - also Adeligen. Weil ein Adelige ist ein Patriot und ein Patriot ein Adelige.

Für diese Assoziation sind aber nicht nur Bücher verantwortlich. Etwa 20 Jahre vor "Der Trilogie" gab es in Polen einen Aufstand gegen die russische Herrschaft, genannt Januaraufstand. Gegen die Russen kämpften fast ausschließlich die Adeligen, den Bauern war es egal. Oder sie waren sogar für die Russen. Es hatte aber nichts mit fehlenden Gefühlen für das Vaterland zu tun. Sich zu entscheiden war nicht schwer -  die Russen wollten die Leibeigenschaft abschaffen (und taten es auch bald), die Aufständischen nicht. So einfach ist es. Und so schwierig schon in nächster Generation zu verstehen.

Polen schaffte die Adelstitel fast gleichzeitig mit Deutschland ab, es half aber wenig. Bis heute stilisieren sich viele polnischen Politiker (besonders die konservativen natürlich) auf Altes Adel. Das Ergebnis ist oft ziemlich komisch, wenn jemand ganz ohne Kinderstube sich in seiner Wohnung im Plattenbau bei einem gefälschten Ahnenportrait, mit einer Schrottflinte (oder Säbel), Frau, Kinder und Hund fotografieren lässt. So etwas wurde schon prophetisch in den Siebzigern in einer Folge einer ziemlich guten Kömedienserie ausgelacht ("Der Vierzigjährige"), als der Held, ein vierzigjähriger Bauingenieur in Mittlebenskrise, auf genau gleiche Weise angeben wollte. Es ist einfach lächerlich, trotzdem machen es manche immer wieder.

Wahlplakat eines Möchtegern-Adeligen

Wahlplakat eines Möchtegern-Adeligen

Vor paar Monaten Wochen veröffentlichte WikiLeaks geklaute Korrespondenz des Führers einer polnischen rechtsradikalen Organisation. Ich guckte kurz nach den Namen und siehe da - unter Teilnehmern finden sich wieder ein Andrzej Kmicic (Held der zweiten Teil Der Trilogie) und ein Jan Skrzetuski (aus der ersten Teil). Dazu natürlich auch jede Menge auf Adel stilisierter Namen, manchmal auch quasi-deutsch, mit 'von' Adelszusatz. Ich habe es nur schnell durchgeblättert, schon möglich dass ich noch einiges übersehen habe.

In polnischen Namen gibt es keinen Adelszusatz wie das deutsche von oder zu. Der polnische Adel heißt von seinen Ortsnamen, mit der Endung -ski oder -cki (z.B. Herr von Zamość heißt Zamojski). Die andere mögliche Endung ist -icz, und ist eher für litauischen oder weißrussischen Adel charakteristisch. Diese Endungen waren lange für die unteren Gesellschaftsschichten verboten. Später, in XIX. Jahrhundert,  aneigneten sich auch die diese Schichten die -ski Endung. Kaum einer mehr wollte so einen Namen wie Młynarz (Müller), Sierp (Sichel) oder Karp (Karpfen) tragen. Viele wurden zum Młynarski, Sierpiński oder Karpiński. So gibt es jetzt sehr viele polnische Namen die zwar auf -ski enden, aber von z.B. Berufsnamen, Namen der Tiere oder gewöhnlicher Gegenstände stammen. Zum Beispiel Kowalski - auf Deutsch würde er von Schmidt heißen.

Kowalski? Moment, Clint Eastwood hat mal einen Kowalski gespielt. Es muss jemand besonderer sein. Wer ist es eigentlich? Das ist mein nächster Stab. Ich lade zur nächsten Folge ein.

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Betreff: , ,

Kategorie:Polnisches Mikado

Kommentare: (1)

Von zwei solchen, die den Mond stahlen

Ich habe zwar einige noch nicht publizierte Beiträge, aber dieser, der jetzt kommen sollte war noch nicht fertig. Und die Reihenfolge ist wichtig. Ich weiß zwar nicht so genau wohin ich gehe, plane aber einige Schritte im Voraus. Leider habe ich momentan viel zu  tun und wenig Zeit für bloggen. Aber ich schaffte endlich diesen Beitrag.

Der Titel des heutigen Beitrages ist sicher etwas rätselhaft, wird aber später klar. Es geht, wie in letzter Folge angekündigt, um die Brüder Kaczyński und ihre Partei. Das Thema ist für das Verständnis von heutigem Polen sehr wichtig.

Die Kaczyński Brüder sind Zwillinge und wurden 1949 geboren. Das Verhältnis ihren Eltern zu Kommunismus ist unklar. Ihr Vater gehörte zwar während des Krieges der rechten und sowjetfeindlichen Widerstandsorganisation  Polnische Heimatarmee an, entgegen gängiger Praxis wurde er aber nach dem Krieg nicht deswegen benachteiligt. Im Gegenteil - die Kaczynskis bekamen einige Privilegien, sie konnten zum Beispiel eine schöne Villa in einem guten Stadtteil Warschaus günstig erwerben. Ein Indiz, dass er mehr als nur ein Mitläufer der stalinistischer Regierung sein musste.

Als die beiden Jungs dreizehn waren, wurden sie zu Schauspieler. Sie bekamen die Titelrollen in einem Kinderfilm. Es war eine Verfilmung eines Kinderbuches von Kornel Makuszyński mit dem Titel, der sich wörtlich als "Über zwei solche, die den Mond stahlen" übersetzen lässt. Der Film war auch in der DDR unter dem Titel "Die zwei Monddiebe" bekannt.

Die Handlung des Buches (und des Filmes) passt ziemlich gut zu den Beiden. Die Helden sind eben Zwillinge, sie sind faul, grausam, kennen keine Regel, kein Respekt und missachten Alle um ihre Ziele zu erreichen. Sie bedienen sich dabei ihrer Ähnlichkeit, gewinnen zum Beispiel einen langen Wettlauf indem ein von den Brüder an den Start geht und später verschwindet, und der andere nur den Finish läuft und als erster schafft. Ihr größter Coup ist eben den goldenen Mond, während der voll ist, zu stehlen. Sie wollen ihn verkaufen, um bis zum Ende ihres Lebens nicht arbeiten zu müssen. Hier ein Dialog aus dem Film, der nachträglich prophetisch erscheint (Übersetzung von mir, ich weiß nicht wie es in der DDR-Synchronisation war):

  • Bruder 1: Dann werden wir nie mehr arbeiten müssen!
  • Bruder 2: Wir arbeiten schon jetzt gar nicht!
  • Bruder 1: Aber dann erst recht!

Der Mond wird aber im Netz immer kleiner und verschwindet dann ganz. Jemand der die Kaczyńskis zu diesem Film engagierte, musste ein Prophet sein. Im Buch und Film lernen die beiden Helden dann, dass Habgier und Faulheit einem nicht wirklich weiterhelfen und die ehrliche Arbeit  besser ist. Polen wäre jetzt ein viel besseres Land, wenn die kleinen Schauspieler es auch gelernt hätten.

Das Buch wurde übrigens noch mal in den Achtzigern als ein Zeichentrickfilm verfilmt (polnische Trickfilme sind auch weltberühmt, dazu aber bei einer anderen Gelegenheit) etwas im Stil von Yellow Submarine. Die Musik dazu schrieben die polnischen Nachahmer der Gruppe Police - die Gruppe namens Lady Pank.

Aber zurück zu unseren heutigen Helden. Die beiden Brüder studierten dann Jura und machten seine Dissertationen. Ihre Wege trennten sich aber etwas. Der eine Lech Kaczyński, zog nach Danzig, heiratete, bekam eine Tochter und wurde zum Professor in Jura. Der andere, Jarosław Kaczyński, blieb bei seiner Mutter und arbeitete an einer Hochschule als wissenschaftlicher Mitarbeiter und später an der Universitätsbibliothek. Ende Siebziger wirkten die beiden bei der antikommunistischen Opposition mit. 1981, während des Ausnahmezustands wurde nur der Lech inhaftiert. Der Jarosław versucht es immer wieder herunterzuspielen, es wäre ein Fehler des Sicherheitsdienstes, aber entweder war er so unbedeutend, oder hat eine Loyalitätserklärung unterschrieben. Beide Möglichkeiten sind kompromittierend, die zweite Variante scheint wahrscheinlicher. Die Erklärung wurde sogar in den Akten des Sicherheitsdienstes gefunden, wurde aber von Kaczyński als gefälscht abgelehnt. Dabei hält er alle anderen Unterlagen der kommunistischen Sicherheit für echt und glaubhaft.

Es gibt Berichte aus ihrer Zeit bei der antikommunistischen Opposition, die beiden wären schon damals sehr zickig und nachtragend und fühlten sich ständig von vermeintlichem Auslachen wegen ihren Namen (der von dem Wort kaczka - Ente abgeleitet ist) beleidigt.

1989 wurden die Beiden Parlamentariern und Berater von zukünftigen Präsidenten Lech Wałęsa. Es endete mit einem großen Streit und der Wałęsa hat die beiden herausgeschmissen. Dann gründeten die Brüder eine Partei mit, die konservativ orientiert war. Die rechte Seite der politischen Bühne in Polen ist sehr zerstritten, den Mikado-Stab lasse ich aber momentan in Ruhe. Um die Sache kurz zu halten: Nach mehreren abenteuerlichen Umgestaltungen der Parteiszene wurde der Jarosław Kaczyński 2001 zum Leader eigener Partei mit dem Namen Recht und Gerechtigkeit. Ich werde weiter die polnische Abkürzung PiS verwenden.

Die neue Partei wollte die rechte Seite der politischen Szene für sich in Anspruch nehmen. So standen im Programm Konservatismus, Katholizismus, Nationalismus und harter Kampf gegen Kriminalität. Insbesondere ging es um die Wirtschaftskriminalität und Korruption. Wirtschaftlich war das Programm mehr wage, und weniger "rechts" - die bestpassende Bezeichnung wäre "populistisch". Vor allem war dort von einer Verschwörung der ehemaligen Sicherheitsdienstmitarbeiter die Rede, die die Wirtschaft in seiner Hand hätte und bekämpft werden müsse.

Von dem Stil her, war (und ist) es eine typische Führerpartei. Alle spielen für den Führer, jede Selbstständigkeit wird bestraft. Bis zum Rausschmiss.

In Parlamentswahlen 2001 wurde PiS mit 9,5% die viertstärkste Partei. 2005 ging es der Partei besser - mit  26,99% war sie die Stärkste. Üblich ist, dass der Leader der Partei dann zum Ministerpräsidenten wird, der Jarosław hat aber den Kazimierz Marcinkiewicz regieren lassen. Der neue Ministerpräsident war aber nicht eigenständig - er war nichts mehr als eine Marionette des Parteiführers. Der Jarosław Kaczyński hatte seinen Grund - sein Bruder kandidierte in der Präsidentschaftswahl (in Polen eine Direktwahl), er fürchtete, dass so eine Doppelspitze von Wählern nicht akzeptiert wird. Und der Lech hat die Präsidentschaftswahl in der Stichwahl gewonnen.

2006 zerbrach die dünne Koalition und eine neue Regierung musste her. Jetzt war der Jarosław Kaczyński bereit, diesen Posten zu übernehmen. In seiner Exposee sagte er ein seinen berühmten Sätze:

Jarosław Kaczyński(...) und kein Weinen und kein Geschrei kann uns überzeugen, dass Schwarz schwarz ist und Weiß - weiß!

Klar, es war ein Irrtum, er wollte es umgekehrt sagen, es ist aber eine präzise Beschreibung der Einstellung von PiS. Alles wird verdreht, wie es gerade passt, Protest und Diskussion sind zwecklos.

So wurde der goldene Mond gestohlen,  er lag im Netz und glänzte. Was machten die beiden mit ihm?

  • Alle möglichen Posten und Gremien wurden mit PiS-treuen Leuten besetzt. Die PiS-treuen waren zwar PiS-treu, aber oft inkompetent.
  • Die beste Sicherung gegen Korruption wäre nach den Brüdern möglichst keine Ausschreibungen zu organisieren. So lagen die meisten Infrastrukturprojekte brach.
  • Gegen alle politischen Gegner wurden alle Mittel (auch die nicht rechtmäßigen) eingesetzt, um sie zu kompromittieren. Provokation, Abhorchen, falsche Anschuldigungen usw.
  • Die Koalitionsparteien von PiS wurden geschickt und gezielt geschlachtet und übernommen.
  • Der Höchststeuersatz wurde gesenkt, Staatsausgaben gleichzeitig erhöht.
  • Von vielen Berufsgruppen wurde eine Erklärung über Zusammenarbeit mit dem kommunistischen Sicherheitsdienst verlangt. Alle diese Erklärungen sollten von einer Behörde mit den Akten verglichen werden. Im Gegensatz zu deutscher Gauck-Behörde ist die polnische gar nicht parteiunabhängig, sondern ganz in Händen von PiS.
  • In der Außenpolitik wurden die Beiden vor allem von ihrem Mangel an Selbstbewusstsein getrieben. So sagten sie Paar mal Teilnahme an offiziellen, internationalen Treffen wegen "gastrischen Beschwerden" ab. Auf gut Deutsch gesagt, sie hatten wortwörtlich Schiss. Sie könnten auch gar nicht verhandeln (und ihre Beamten auch) - die Einstellung war, es sei unterhalb ihrer Würde zu verhandeln, und mit Deutschen und Russen wird nicht verhandelt, weil sie uns so viel in der Geschichte angetan haben. Deswegen sollen sie uns sofort alles geben, was wir verlangen.

Kein Wunder, dass der Mond immer kleiner wurde. Die Wahlen in 2005 waren die einzigen, die PiS gewonnen hat. Seitdem ging es immer abwärts. (Heute nicht mehr, aber zur heutigen Stand schreibe ich irgendwann mal mehr).

Jarosław Kaczyński lebt mit seiner Mutter und einer Katze. Hat kein Bankkonto (Zitat: Dann könnte mir jemand Geld auf mein Konto überweisen, und es wäre Korruption), kein Führerschein, kennt keine Fremdsprachen... Seine Zähne sind nicht gepflegt und kaputt, seine Schuhe (auch bei vielen offiziellen Anlässen) abgenutzt und mit gerissenen Schnürsenkeln.

Jarosław Kaczyńskis Schuhe

Jarosław Kaczyńskis Schuhe Author: Jan Zdzarski/Agencja SE/East News

Einmal wurde eine PR-Aktion organisiert, der Jarosław wollte sich als nah der täglichen Sorgen der polnischen Familien stehend inszenieren. Er ging mit der Begleitung der ihm treuen Presse in einen Lebensmittelladen und dort konnte man genau sehen, dass er es noch nie im seinem Leben tat. Er legte zum Beispiel ein Brot in den Warenkorb ohne irgendeine Verpackung direkt auf nicht gewaschenen Kartoffeln.

Der Lech war dank seiner von ihm deutlich älterer Frau besser sozialisiert, aber auch kein richtiges Vorbild.

Wie man hier sieht, die Beiden sind (sorry, sind stimmt nicht ganz, der Lech ist schon Tod, nach manchen gefallen beim Smoleńsk) einfach Nieten, und ihre Partei zieht magnetisch andere Nieten an. Obwohl: eigentlich halten sich Polen für keine Nieten - sie hätten doch keine Angst, seien sehr erfolgreich (nur wenn nicht die Deutschen und die Russen...) und jeder wäre ein Adeliger.

Was? Es geht nicht, dass alle Adel angehören? Es geht doch, dazu mehr in nächster Folge.

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Betreff: , ,

Kategorie:Polnisches Mikado

Kommentare: (4)

Ein Pole hat keine Angst. Nie!

Es gibt in Polen viele Witze, die auf Stereotypen über verschiedene Nationen basieren. Die meisten davon handeln von einem Polen, einem Russen und einem Deutschen, von denen natürlich der Pole der Beste ist und der Deutsche der Schlechteste. Aber passend hier ist ein ganz anderer Witz und der läuft ungefähr so: In einem Flugzeug fliegen Vertreter verschiedener Nationen. Plötzlich geht die Maschine kaputt und fängt an Höhe zu verlieren. Das Flugzeug muss sofort leichter gemacht werden, alles Mögliche wurde schon hinausgeworfen, jetzt muss sich jemand opfern. Alle nacheinander werden überzeugt und jede Nation reagiert auf andere Argumente. So:

  • Ein Deutsche springt, weil es ein Befehl ist
  • Ein Engländer springt für England und die Queen
  • Ein Franzose springt, weil es jetzt Mode ist
  • Ein Italiener springt um Frauen und Kindern zu retten
  • Ein US-Amerikaner springt, weil es gut bezahlt wird

Und so weiter, alles ziemlich blöde Klischees. Aber warum springt ein Pole? Ihm sind alle Beweggründe anderer Nationen wurscht. Er reagiert nur auf eins - auf einen Vorwurf, er habe Angst zu springen. Er habe keine Angst! Nie! Er springt sofort!

Wenn wir aber darüber nachdenken, kommen wir zum Schluss, dass es eben das Gegenteil sein muss. Wenn einer ständig allen anderen etwas  beweisen muss, dann ist er einfach nicht selbstbewusst genug! (Symptomatisch: das Begriff Selbstbewusstsein in deutscher Wikipedia hat keinen Link zum polnischen Begriff).

Es wäre natürlich eine ungerechte Generalisierung zu sagen, dass alle Polen nicht selbstbewusst sind und ständig Angst haben, aber etwas ist dran. Und wenn man den öffentlichen Diskurs und Parteileben in Polen beobachtet, sieht man eine relativ klare Trennlinie zwischen den "Normalen" und diesen mit mangelndem Selbstbewusstsein. Ein guter Filter dafür ist das Verhältnis zur Smolensk-Katastrophe.

Ein wirklich selbstbewusster Mensch hat kein großes Problem zuzugeben, dass er Fehler gemacht hat und er wird aus diesen Fehler lernen. Ein unsicherer Angsthase wird seine Fehler immer leugnen, mindestens öffentlich wird er immer die Schuld den Anderen zuschieben. Privat aber wird er sich mit Schuldgefühlen quälen.  Kein Wunder dass er dann frustriert und zickig ist.

So meinen die meisten ausgebildeten und selbstbewussten Polen, im Smolensk sei ein Unfall passiert, peinlich zuzugeben, aber von Polen selber verschuldet. Es gibt aber eine große und laute Gruppe die meint, der Präsident sei in einem Attentat gefallen. Nein! Kein Pole wäre schuld! Die polnischen Piloten wären Klasse, die könnten sogar ein Scheunentor fliegen! Die Piloten könnten frei entscheiden und wollten nur schauen ob der Boden zu sehen wäre! Dann würden sie von Russen zur Landung gezwungen. Es gebe keine Widersprüche in dieser Theorie! Putin habe unseren Präsidenten, den Retter der Nation, umgebracht!

Dabei entstehen teilweise oberkomische Verschwörungstheorien, zum Beispiel:

  • Auf jeden Fall wären es die Russen! Die wollten seinen Erzfeind, den besten polnischen Präsidenten aller Zeiten loswerden!
  • Der russische Lotse habe die Maschine zur Landung gezwungen, indem er die Landung nicht ausdrücklich verboten und den Flughafen nicht geschlossen hätte. Das was ich jetzt hier, vor der Tastatur, mache heißt in Internet-Jargon facepalm. Für die einzige mir bekannte Möglichkeit ein Flugzeug von außen zur Landung zu zwingen braucht man einen bewaffneten Düsenjäger in der Nähe.
  • Der Nebel würde künstlich erzeugt. Ich verstehe nicht, was es ändern sollte. Keine Sicht - keine Landung, egal natürlicher oder künstlicher Nebel.
  • Das russische Transportflugzeug, das kurz vor der Maschine des polnischen Präsidenten landen wollte, habe jede Menge flüssigen Sauerstoff (oder Stickstoff, oder was auch immer) versprüht, um Nebel entstehen zu lassen. Die offensichtliche Frage, wo der Nebel bei der Landung der Maschine mit Journalisten her käme, was schließlich vorher passierte, wird dann als persönliche Beleidigung betrachtet und nicht beantwortet.
  • Eine Aerosolbombe würde abgefeuert. Dies ist noch ein relativ realistisches Konzept. Schade nur, dass im Walde, wo die Maschine abgestürzt ist, keine Spuren davon zu sehen sind.
  • Im Flugzeug gab es eine Bombe, die ferngezündet würde. Oder zwei. Oder noch mehr davon. Na ja... Wenn man so einfach in die Regierungsmaschine reihenweise Sprengsätze einbauen könnte, wäre es eine Megaschande für den Verfassungsschutz! Aber warum sollten diese Ladungen gerade bei einer Landung im Nebel gezündet werden?
  • Kurz vor der Landung hätten die Russen aus riesigen, unterirdischen Tanks jede Menge Helium herausgepustet, so hätte die Maschine zu wenig Triebkraft. So etwas ist sogar schwierig zu kommentieren - es war sicher eine Überdosis der James Bond Filme.
  • Die meisten Passagiere der Unglücksmaschine hätten den Absturz überlebt, alle würden aber danach von einem russischen Kommando erschossen. Der Beweis: Auf einem Amateurvideo, das kurz nach dem Unglück mit einem Handy aufgenommen wurde, in der zweiten Minute seien angeblich Schüsse zu hören. No comments von meiner Seite.
  • Die Russen hätten die Maschine mit allen Passagieren entführt und ließen ihre Kopie abstürzen. Der Präsident und alle anderen bleiben irgendwo in Sibirien gefangen. Glaubt ihr, dass so etwas in manchen Kreisen ernst diskutiert wurde? Für mich klingt es nach mittelmäßigen Science Fiction, der Film (mit Mick Jagger) hieß Freejack.

Und das ist längst nicht alles!  Alle diese Theorien beziehen sich auf die letzten Flugminuten, über Mangeln in Pilotenausbildung wird kein Wort verloren, und dass der General der Luftstreitkräfte im Cockpit hinten saß, solle kein Druck auf die Besatzung bedeuten.

In jedem Land gibt es solche Verschwörungstheoretiker, in Polen machen die aber etwa 30% der Gesellschaft. Heftig, oder? Seltsamerweise (oder auch nicht) sind es in den meisten Fällen die Wähler und Sympathisanten der Partei der Kaczyński-Gebrüder. Wir müssten diese Partei und ihre Führer genauer betrachten, aber die Grundregel von Mikado ist: Stäbe einzeln nehmen! Also bis zur nächsten Folge.

Zur Ursachen und weiteren Symptomen der allgemeinpolnischen Angststörung komme ich bald auch.

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Betreff: ,

Kategorie:Polnisches Mikado

Kommentar