Es ist meine Übersetzung der Beiträge aus Eastsplaining Substack, der Autor dieser Texte ist mit der Übersetzung und Veröffentlichung einverstanden. Quelle (englisch): https://eastsplaining.substack.com/p/war-in-ukraine-still-matters-the
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Der Krieg in der Ukraine ist (immer noch) das Wichtigste
Selbst wenn du "Russland unterstützt", wollen sie dich trotzdem töten
Ich entschuldige mich dafür, dass ich diesen Blog vernachlässigt habe. Meine einzige Entschuldigung ist einfach, dass so viele andere Dinge passieren. In klassischer selbstwidersprüchlicher Manier werde ich jedoch versuchen, noch einmal zu erklären, warum der Krieg in der Ukraine meiner Meinung nach für uns in Europa wichtiger ist als alles andere.
Er ist größer als die Wahlen in Polen, die Wahlen in Holland, der Krieg gegen die Hamas, alles, was uns ablenkt. Natürlich bin ich auch dieser Ablenkung schuldig.
Es handelt sich um einen häufigen kognitiven Fehler: Probleme, die aktueller sind, scheinen wichtiger zu sein, auch wenn dies offensichtlich nicht der Fall ist. Covid tötet immer noch Menschen, aber wir tun so, als wäre es verschwunden.
Wenn du in Europa (nicht unbedingt in Osteuropa) lebst, gibt es immer noch kein größeres Thema als den Krieg in der Ukraine. Alle deine derzeitigen Sorgen - soll ich diesen Job annehmen, ist dies der richtige Zeitpunkt für eine Hypothek oder sogar das ewige "bist du derjenige, auf den ich gewartet habe" - könnten irrelevant werden, wenn Russland gewinnt, genauso wie die entsprechenden Dilemmata unserer Vorfahren in den Jahren 1938-1941.
Bevor ich ins Detail gehe, las mich definieren, was ich mit "falls Russland gewinnt" meine. Es gibt zwei Szenarien, die ich mit diesem Namen bezeichnen würde.
Ein ist der entscheidende russische Sieg - die russische Flagge weht über dem Präsidentenpalast in Kiew, Zelensky flieht in Panik, die russischen Truppen erreichen die polnische Grenze. Das wäre das Ende der Welt, wie wir sie kennen, aber ich glaube nicht, dass dies auch nur annähernd möglich ist. Russland fehlt einfach das Potenzial dafür.
Mir geht es vor allem um das Szenario eines kleinen russischen Sieges. Dieser würde eintreten, wenn die westlichen Verbündeten die Ukraine zu einer Art De-facto-Kapitulation zwingen, z. B. zu einem Friedensvertrag, der es den Russen erlaubt, alles zu behalten, was sie besetzen konnten - oder, noch schlimmer, die "Annexionen", was bedeuten würde, dass die Städte aufgegeben werden, die die Russen nie erreicht haben, wie z. B. Saporischschja.
Ich hoffe, das wird nicht passieren - aber die Stimmen im Westen, die diese Idee unterstützen, werden lauter und die pro-ukrainischen Stimmen werden leiser. "Gebt dem Frieden eine Chance, damit die Menschen aufhören zu sterben", das hören wir von Musk, das hören wir von Orban, das hören wir von den üblichen russischen Aktivisten im Westen.
Man kann es nicht oft genug betonen: Ein Frieden zu russischen Bedingungen WIRD DAS TÖTEN UND STERBEN NICHT STOPPEN. Das war das klägliche Ergebnis der Minsker Vereinbarungen - 2015 wurde die Kontaktlinie für 7 Jahre eingefroren, aber die Menschen starben immer noch durch den Beschuss auf beiden Seiten. Russland findet immer einen Weg, den Waffenstillstand zu verletzen, indem es sagt: "Es sind nicht wir, es sind die kleinen grünen Männchen".
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass diese Art von Frieden oder Waffenstillstand von irgendeiner demokratischen Regierung der Ukraine akzeptiert wird, so dass dies bedeuten würde, dass Zelensky in einem Staatsstreich - dieses Mal wirklich - gestürzt und durch eine russische Marionette im Stil von Lukaschenko/Kadyrow ersetzt würde. Dies wiederum bedeutet eine äußerst brutale Unterdrückung des Widerstands - mit anderen Worten: Menschen sterben durch Folter und Hinrichtungen, wie in Tschetschenien oder Weißrussland.
Eigentlich wäre es noch viel schlimmer. Die Ukrainer sind es gewohnt, ihre Freiheit durch öffentliche Unruhen zu verteidigen. Sie würden mit einem weiteren Maidan reagieren. Damit diese Marionettenregierung überleben kann, müsste sie abgeschlachtet werden.
Selbst wenn du mit einem zynischen "So soll es sein" reagierst - es wird auch dein Problem sein. Das ganz offensichtliche Ergebnis wird eine weitere Flüchtlingswelle sein, viel größer als die in den ersten Tagen der Invasion.
Sie werden von der EU nicht aufgehalten werden können, da zumindest die polnische Grenze offen bleiben wird. Aber aufgrund der bedeutenden ukrainischen Diaspora in Nordamerika wird diese Welle sicherlich den Atlantik überqueren. Selbst wenn du also im Westen pro-russisch bist (der einzige Ort, an dem man pro-russisch sein kann!), wirst du dennoch unter der unvermeidlichen Störung deiner Wirtschaft leiden.
Wenn du im kollektiven Westen lebst, wirst du von Russland als Feind wahrgenommen. Selbst wenn du in den sozialen Medien die pro-russischen Äußerungen westlicher Randpolitiker "likst" oder vielleicht sogar einen Pro-Putin-Aufkleber auf der Stoßstange hast. Es liegt in deinem persönlichen Interesse, russische Truppen von Kiew und Charkiw fernzuhalten, selbst wenn du ein eingefleischter Anhänger der linken Tankie oder der rechten MAGA bist.
Man kann sich leicht ausmalen, was passieren würde, wenn Putin seinen Teil der Ukraine bekäme. Das haben wir ja schon erlebt.
2008 marschierte Russland in Georgien ein und schuf die Marionettenstaaten "Südossetien" und "Abchasien", die etwa 20 % des georgischen Territoriums ausmachen. Die Welt reagierte nicht mit Sanktionen.
Im Gegenteil, Russland wurde für diesen Landraub durch die westliche Politik des "Reset" belohnt. Damals waren alle (mich eingeschlossen, muss ich zugeben) so panisch vor einer "Eskalation", dass wir den klassischen Münchner Beschwichtigungsirrtum reproduzierten. Wir hatten gehofft, wenn Putin bekommt, was er will, wird er aufhören, seine Nachbarn zu überfallen.
Wie dumm von uns! Dieses Appeasement endete wie alle Appeasements. 2014 marschierte Putin zum ersten Mal in die Ukraine ein und erwartete die gleiche Reaktion - aber zu seiner Bestürzung gab es diesmal eine halbherzige Reaktion des Westens. Aber die Sanktionen waren mild genug, damit er dies 2022 wiederholen konnte.
Man kann sehen, dass russische Experten und Diplomaten vom Westen wirklich überrascht sind. "Warum sanktioniert ihr uns jetzt, während ihr das 2008 nicht getan haben? Worin besteht der Unterschied? Warum können wir das Leid der Ukrainer nicht einfach ignorieren und weiter Handel treiben? Sind sie so viel anders als die Georgier?"
Es ist sehr leicht vorherzusagen, was passieren wird, wenn Russland einen weiteren "Reset" bekommt und der Westen eine weitere Landnahme akzeptiert. Sie werden ihre Wunden lecken, ihr militärisches Potenzial wieder aufbauen - und in 10 Jahren eine weitere Invasion durchführen.
Diese Invasionen werden jedes Mal nur noch schlimmer. Als sie in Tschetschenien einmarschierten, konnte man sagen, dass es sich nicht einmal um eine Invasion handelte, da es formal russisches Gebiet war. Als sie in Südossetien einmarschierten, konnte man sagen, die Südosseten wollten mit den Nordosseten wiedervereint werden (was ironischerweise nie geschah, sie sind immer noch getrennte Regione, die durch eine harte Grenze getrennt sind). Als sie 2014 in die Ukraine einmarschierten, könnte man sagen: "Nun ja, die russischsprachige Bevölkerung will von russischsprachigen Besatzern vergewaltigt und geplündert werden".
Diese Gründe wurden immer weit hergeholt und die Ziele der Invasion immer unklarer. Das nächste Land, das überfallen werden könnte, könnte Finnland sein, könnte die Türkei sein, könnte Polen sein - russische Politiker und russische Medien sind bereits voll von solchen Ideen. Und wieder wird es auch dich treffen, selbst wenn du "Russland unterstützt".
Es gibt andere Kriege, andere humanitäre Katastrophen, andere dringende Probleme. Aber der Krieg in der Ukraine bleibt der einzige, der Herrn Otto Normalverbraucher aus Musterhausen im Westen direkt treffen kann. Oder - auch - dich, lieber Leser.
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