Es ist meine Übersetzung der Beiträge aus Eastsplaining Substack, der Autor dieser Texte ist mit der Übersetzung und Veröffentlichung einverstanden. Quelle (englisch): https://eastsplaining.substack.com/p/living-in-russia-is-hell
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Das Leben in Russland ist die Hölle.
Selbst russische Oligarchen leben lieber im Westen
Wenn du dies liest, bist du wahrscheinlich schon einmal jemandem begegnet, der sich als „pro-russisch“ bezeichnet. Vielleicht bist du selbst so einer?
Es gibt eine Frage, die ich allen „pro-russischen“ Menschen stellen möchte, besonders in der westlichen Welt. Wenn du sie triffst, frage sie bitte in meinem Namen.
Die Frage ist: Was gefällt dir besonders an Russland? Jemals dort gewesen? Planst du einen Umzug?
Fährst du ein russisches Fahrzeug? Verwendest du einen russischen Laptop oder ein russisches Smartphone? Trägst du russische Kleidung?
Ist das eine RussiaWatch an deinem Handgelenk? Wenn du Fernsehserien konsumierst, siehst du dich Ruflix auf einem russischen Fernsehgerät an, während du auf einem Sofa sitzt, das von der weltberühmten Möbelfirma RUSKEA hergestellt wurde?
Vielleicht magst du Mussorgski oder Tschaikowski. Ich auch (wer nicht?). Aber hörst du sie dir auf einer in Russland hergestellten Stereoanlage an, oder ist es in der Wirklichkeit Denon oder Sony?
Vielleicht ist es die Volksküche? Borschtsch, Bliny, Pelmeni, solche Sachen? Aber sie sind nicht Russisch, sie sind Ruthenisch, also: in der Ukraine oder Polen oder Litauen sind sie genauso authentisch (und die Toilette im Restaurant wird sauber sein, was in Moskau nicht so selbstverständlich ist, glaub mir).
Ich war seit Jahren nicht mehr in Russland, daher könnten meine Eindrücke etwas veraltet sein, aber ich glaube nicht, dass sich die Situation zum Besseren verändert hat. Zum Beispiel ist der Prozentsatz der Haushalte mit Sanitärinstallationen tatsächlich leicht RÜCKGÄNGIG.
Es könnte eine Überraschung für die Menschen in anderen Ländern sein, wo die Dinge im Allgemeinen vorwärts gehen – aber in den letzten zehn Jahren oder so bricht Russland tatsächlich zusammen. Das ist ihr letztes Hurra.
Es ist der klassische „Ressourcenfluch“. Früher verdiente Russland genug Geld mit dem Export von Rohstoffen, es gab wenig Anreiz, in etwas anderes zu investieren.
Auf dem Papier stieg ihr BIP (bis zu einem bestimmten Punkt). Aber selbst wenn es so war, bedeutete es dem durchschnittlichen Iwan Iwanowitsch Iwanow sehr wenig. Ein Löwenanteil wurde von einer Handvoll Oligarchen eingesteckt, die normalerweise nicht einmal in Russland leben (der wertvollste Besitz für einen Russen ist ein ausländischer Pass).
Aus diesem Grund hast du wahrscheinlich nie ein russisches Auto besessen. Ja, Russland stellt sie her, aber sie waren tatsächlich amerikanisch (Ford Model B lizenziert als Gaz M-20 Pobeda), italienisch (Fiat 124 lizenziert als Lada / Schiguli), französisch (ein Haufen neuerer Lada-Modelle, eigentlich Budgetversionen von Renault). und derzeit Chinesisch.
Sie werden hauptsächlich auf dem heimischen Markt für Russen verkauft, die keine andere Wahl haben. Es gibt einige "Export"-Versionen, aber wirklich, warum sollst du einen schlechten Renault-Imitat kaufen wollen, wenn du dich ein richtiges Renault leisten kannst?
Wenn Putin bei seinem jüngsten Besuch im Donbass mit dem Auto über die Krimbrücke oder um Mariupol fährt, tut er das nie in Lada Schrotta. Es ist ein Mercedes, Toyota oder Lexus. Sogar Russen hassen russische Autos.
Ich kann es ihnen nicht übel nehmen. In meinem langen Leben bin ich Lada 2107 und Lada Samara gefahren. Ich bin auf westliche Autos umgestiegen, sobald ich es mir leisten konnte (in diesem Zusammenhang, wie in vielen anderen, schließt „westlich“ auch Japanisch und Koreanisch ein). Russen wollen es auch tun, aber in der Europäischen Union kann sich eine Person mit einem durchschnittlichen Gehalt ein westliches Auto leisten. Für Iwan Iwanowitsch Iwanow ist es ein Wodka-Traum.
Im Westen nehmen wir vieles als selbstverständlich hin. Sieh dich einfach bei dir um, dort, wo du das hier liest.
Du hast wahrscheinlich einen funktionierenden Kühlschrank in deiner Küche. Einige deine Lieblingsdelikatessen sind drin – vielleicht ist es gereifter Käse, vielleicht Hummus, wahrscheinlich ein Erfrischungsgetränk. Du hast es in einem Laden um die Ecke gekauft, es hat dich keine Unsummen gekostet.
Das meiste davon ist selbst in Moskau schwer zu kaufen und in „glubinka“ (tiefes Territorium) einfach nicht erhältlich. Iwan Iwanowitsch Iwanow kann Prosciutto einfach nicht mit Prosecco genießen. Für einen Oligarchen ist natürlich nichts unmöglich - er bekommt es per Helikopter sogar nach Sibirien geliefert. Aber ich versuche, durchschnittliche Personen zu vergleichen - Iwanow mit Nowak, Dupont oder Schmidt.
Iwanow hat, technisch gesehen, einen Kühlschrank, den er gekauft hat, als er das letzte gute Jahr hatte (in Bezug auf die Finanzen). Dann funktionierte er nicht mehr, die Ersatzteile waren ihm zu teuer, jetzt sind sie wegen Sanktionen nicht mehr verfügbar. Also benutzt er seinen Kühlschrank als einen schicken Schrank, um das Geschirr aufzubewahren (eine überraschend häufige Einrichtung in russischen Haushalten).
In Russland existiert vieles nur auf dem Papier. In der offiziellen Statistik wird Iwanow als jemand aufgeführt, der einen Kühlschrank besitzt. Er wird sogar als jemand aufgeführt, der Sanitärinstallationen hat – er hat vielleicht sogar eine Toilettenschüssel (Ein Glück für einen durchschnittlichen Russen!), aber das fließende Wasser reicht nicht bis zu seiner Etage, also benutzt er es nicht für sein „großes Geschäft“. Aus dem gleichen Grund kann er keine Waschmaschine in seinem Badezimmer haben.
Im Westen sind wir es gewohnt, dass fließendes Wasser nicht nur läuft, sondern sogar TRINKBAR ist. In Russland ist das nicht einmal in Moskau der Fall – wenn Sie die verrückte Idee haben, Leitungswasser zu trinken, wird Sie der Geruch wieder zur Besinnung bringen.
Ein durchschnittlicher westlicher Mensch hat entweder einfachen Zugang zu einem bequemen öffentlichen Verkehrssystem – und verspürt nicht das Bedürfnis, ein Auto zu besitzen, oder er hat ein Auto in einem guten technischen Zustand, das immer für eine 500 km lange Autofahrt bereit ist. Iwan Iwanowitsch Iwanow mag, technisch gesehen, ein Auto besitzen, einen 30 Jahre alten Schiguli (er braucht es, um Kartoffeln zu transportieren, die er auf dem kleinen Stück Land für sich selbst anbaut – er nennt es stolz eine Datscha; es ist kein Hobby, es ist eine Notwendigkeit), aber er würde es nicht wagen, die 100 km in die nächste Stadt zu fahren.
Das ist in Ordnung, denn die Autobahn existiert auch größtenteils in der Theorie. Die russische Sprache hat eine Reihe von Redewendungen und Ausdrücken, die verwendet werden, um Objekte, Personen und Institutionen zu beschreiben, die nicht wirklich vorhanden sind, aber in Statistiken aufgeführt sind - „Potemkinsche Dörfer“, „Roitschwantz-Kaninchen“, „Pokazukha“, „Die toten Seelen“ usw .
Du kannst Russland nicht verstehen, wenn du dies nicht verstehst. Viele Menschen im Westen stellen Fragen wie: Wo ist der hochmoderne Panzer T-14 Armata? Wo ist die russische Antwort auf F-22 Raptor, mächtige Suchoi Su-57? Wo ist das Supersoldat-Exoskelett Ratnik? Warum scheint Russland, anstatt sie in die Schlacht zu schicken, Panzer einzusetzen, die sogar älter sind als ich?
Einige Leute glauben immer noch, dass Russland Millionen von modern ausgerüsteten Soldaten hat. Sie werden irgendwo versteckt, wo die NATO-Satelliten sie nicht sehen können. Nach 13 Monaten großangelegten Invasion haben sie sich einfach nicht entschieden, diesen Vorteil zu nutzen. Schließlich „sie haben noch nicht angefangen“. Das liegt an … [Einsatz von einem unzusammenhängenden Gemurmel eines selbsternannten Experten, der nicht einmal Russisch spricht].
Wer Russland kennt, weiß auch, dass die russische Kleptokratie alles – einschließlich der Armee – in eine gigantische „Pokazucha“ verwandelt hat. Es ist eine Million toter Seelen in Roitschwantz-Panzern und Potemkin-Flugzeugen.
Wenn sie in den staatlichen Registern eingetragen sind, gibt es auch ein Budget für ihren Unterhalt. Jemand hat dieses Geld eingesteckt (und steckt es immer noch ein), aber das meiste von diesem „Pokazucha“ hat überhaupt nie existiert. Oder es war bestenfalls wie bei Iwanows Auto: Es existiert, nur fährt nicht zu weit. T-14 und Su-57 sehen auf Paraden cool aus, nimm sie nur nicht mit in den richtigen Kampf.
Korruption gibt es auch im Westen, also denken viele, dass es in Russland mehr oder weniger ähnlich ist - wir haben Bestechung und zwielichtige Absprachen unter dem Tisch, aber die Straßen werden im Allgemeinen gebaut, das fließende Wasser fließt tatsächlich und die Armee bekommt ihre tödlichen Spielzeuge. Es ist ein Fehler, so über Russland zu denken: Bestechungsgelder garantieren dort kein Ergebnis, aber wenn du keins gibst, kannst du Probleme bekommen.
Wenn du in deinem westlichen Badezimmer fließendes Wasser hast, liegt das daran, dass dein Bürgermeister wiedergewählt werden möchte. Wenn dein Kühlschrank leckere Dinge kühlt, liegt das daran, dass der Gerätehersteller (und der örtliche Lebensmittelhändler) dir Sachen verkaufen möchte. In Russland ist das nicht so.
Im September 2022 lief in Russland eine Reihe von Rekrutierungspropagandavideos. Ihre Botschaft war: „Das Leben in Russland ist sowieso die Hölle, also warum nicht zur Armee gehen, was hast du zu verlieren?“.
In einem von ihnen kauft ein russischer Opa Lebensmittel in einem Lebensmittelgeschäft ein (achte darauf, wie schlecht die Auswahl dort ist - viel Glück, wenn du dort deine Lieblingsleckereien finden wolltest!). Er kann sich nicht einmal die grundlegendsten Dinge leisten. Er ist verzweifelt genug, um seinen letzten Gegenstand von Wert zu verkaufen: das Schiguli-Fahrzeug, das er in den 1980er Jahren für seinen Dienst in Afghanistan bekam. In letzter Minute hält ihn sein Enkel auf – er tritt der Armee bei! So wird es endlich Geld geben!
Auch das Leben in der Ukraine ist kein Paradies. Aber je westlicher sie werden, desto besser wird ihre Lebensqualität. Es hat bereits begonnen. Sie wollen hart daran arbeiten, ihre Lebensqualität auf die EU-Standards anzuheben, so wie wir – ihre Nachbarn – es im letzten Jahrzehnt getan haben.
Fragen Sie pro-russische Freunde: Wer hat das Recht, es ihnen zu verweigern? Elon Musk? Noam Chomsky? Clare Daly?
Russland kämpft darum, seine Hölle auf die ganze Welt zu verbreiten. Deshalb ist der Vergleich mit Mordor und Orks gar nicht so weit hergeholt.
Kürzlich beschwerte sich ein russischer Militärblogger, Roman Saponkow, in den sozialen Medien darüber, dass die Lieferwagen, mit denen er Nachschub an russische Soldaten lieferte, von der „Polizei“ der Separatisten gestohlen wurden. Beachten Sie, dass die „Annexion“ ebenfalls nur theoretisch stattfand: Die besetzten ukrainischen Gebiete funktionieren immer noch nicht als Teil des eigentlichen Russlands. Russische Zivilzüge fahren dort nicht, russische Polizei operiert dort nicht, man kann die Grenze nicht ohne Pass überqueren (auf dem Papier ist die Grenze theoretisch verschwunden, aber in der Praxis gibt es noch Grenzübergänge).
Zum Zeitpunkt des Schreibens konnte Saponkow seine Autos immer noch nicht zurückgewinnen. Das ist Russland: Wenn die Polizei dein Auto stehlen will, nehmen sie es einfach. Es spielt keine Rolle, wer Recht oder Unrecht hat, was zählt, ist, wer wen töten kann.
Das hält Saponkow nicht davon ab, fanatisch pro-russisch zu sein. Je mehr er leidet, desto eifriger ist er, uns allen die russische Hölle aufzuzwingen. So funktioniert Russland.
Ich hoffe, mein lieber westlicher Leser, dass du klüger bist.
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