Polen, so nah und doch so fremd. Zwischen Polen und Deutschland, manchmal auch in der DDR.

Gastbeitrag aus dem Eastsplaining Substack (4) – Über das NATO-Versprechen an Gorbatchow…

Es ist meine Übersetzung der Beiträge aus Eastsplaining Substack, der Autor dieser Texte ist mit der Übersetzung und Veröffentlichung einverstanden. Quelle (englisch): https://eastsplaining.substack.com/p/about-the-nato-promise-to-gorbachev

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Über das NATO-Versprechen an Gorbatschow...

Komisch, ich liebe Roger Waters immer noch (als Musiker)

Meine persönliche Enttäuschung Nr. 1 in diesem Krieg sind die „progressiven“ Intellektuellen. Es stellt sich heraus, dass ihr Antiimperialismus nicht auf Osteuropa anwendbar ist.

Überprüfen Sie die Art und Weise, wie Noam Chomsky die Erzählung über „NATO-Osterweiterung“ formuliert (Auszug aus CounterPunch). Es ist ihm völlig egal, ob Polen der NATO beitreten „will“. In seinen Augen sind wir nur hirnlose Schachfiguren, die von Clinton in die NATO gezerrt wurden, der „zugab“, dass er es nur aus „innenpolitischen Gründen“ getan hatte.

Chomsky in CounterPunch

„George H. W. Bush … hat Gorbatschow ausdrücklich versprochen, dass sich die NATO nicht über Ostdeutschland hinaus ausdehnen würde, absolut eindeutig. Sie können die Dokumente nachschlagen. Es ist sehr klar. Bush hat sich daran gehalten. Aber als Clinton auftauchte, fing er an, dagegen zu verstoßen. Und er hat Gründe genannt. Er erklärte, dass er dies aus innenpolitischen Gründen tun müsse. Er musste die polnischen Stimmen bekommen, die ethnischen Stimmen. Also würde er die sogenannten Visegrad-Staaten in die Nato lassen. Russland akzeptierte es, mag es nicht, aber akzeptierte es.“

Die letztere Behauptung ist besonders seltsam. Würde irgendein Politiker so etwas wirklich zugeben? In seinem nächsten Interview verwässerte er diese Behauptung auf eine schmackhaftere Version: „Einige haben spekuliert“. Und wieder keine Erklärung, warum Ungarn und Tschechien am selben Tag aufgenommen wurden. Auch aus „innenpolitischen Gründen“?

Er [GW Bush] hat die baltischen Staaten und andere eingebracht“, sagt Chomsky später. Was für ein süßer Spruch! „Eingebracht“, wie Gefangene zum Verhör. Es scheint, dass nichts Noam Chomsky davon abhalten kann, sich Osteuropa als wilde Bestien vorzustellen, die keine eigenen Entscheidungen treffen können. Er muss die Bürde des Westlichen Mannes besonders schwer spüren!

OK, gehen wir also zurück zum „Versprechen“. Warum sehen wir „Ostdeutschland“ in diesem Zitat so, als wäre es ein eigenes Land? Denn zu der Zeit, als James Baker (nicht gerade GHW Bush selbst) dieses Versprechen gab, existierte die DDR noch. Überprüfe bitte die ausgezeichnete Zusammenfassung „Was Gorbatschow gehört hat?“ für eine detaillierte Analyse.

Wie das berühmte Zitat sagt, gibt es Jahrzehnte, in denen nichts passiert, und Monate, in denen Jahrzehnte passieren. 1990 war voll von solchen Monaten.

Als Gorbatschow im Februar 1990 dieses Versprechen hörte, war die Berliner Mauer bereits gefallen, aber die Deutsche Demokratische Republik wurde noch von der kommunistischen SED regiert. Die sowjetische Armee war in der DDR noch stationiert, ebenso wie in den anderen Ländern des Warschauer Paktes (der damals noch felsenfest wirkte).

Die ersten freien Wahlen in der DDR waren für nächsten Monat geplant und der Ausgang war zu diesem Zeitpunkt ungewiss. Wie wir heute wissen, führte dies zu einem erdrutschartigen Sieg der antikommunistischen, wiedervereinigungsfreundlichen „Allianz für Deutschland“, aber bis zum letzten Tag erwarteten viele westliche „Experten“ einen Sieg der Kommunisten, weil sie behaupteten, die Ostdeutschen würden ihr System tatsächlich mögen (Jonathan Steele, der einst der Schlüsselexperte des „Guardian“ für alles Östliche war, schrieb 1975 ein Buch, in dem er mit der DDR sympathisierte).

Ende 1990 wurde die DDR aufgelöst. Ende 1991 passierte es auch mit Sowjetunion.

Hier kommt die Frage Nr. 1: Ist ein Versprechen an den Führer eines nicht existierenden Landes bezüglich eines anderen nicht existierenden Landes immer noch für die tatsächlich existierenden Länder bindend?

Wird es für immer gelten? Im Jahr 2050? Im Jahr 2150? Im Jahr 2525? Wenn ein Großdoge der Venezianischen Republik dem Herzog von Bamberg, sagen wir, 1225 ein Versprechen gab – ist es dann immer noch bindend für das heutige Deutschland und Italien?

Noch seltsamer wird es bei Frage Nr. 2: Was hat Gorbatschow im Gegenzug versprochen? Finden Sie es nicht seltsam, dass bei all dem Gerede über „was die NATO versprochen hat“, kaum jemand über das spricht, was die Sowjetunion versprochen hat?

Nichts? Das wäre wirklich seltsam. Als Führer eines zerfallenden Imperiums war Gorbatschow nicht in der Lage, einseitige Forderungen zu stellen. Die Tatsache, dass wir nicht über das gegenseitige sowjetische Versprechen sprechen, ist ein weiteres Beispiel dafür, wie gut die russische Propaganda das Narrativ kontrollieren kann.

Du kannst diese Versprechen selber finden, google bitte einfach nach Gorbatschows Reden von 1988-1990. Zum Beispiel seine Rede vor den Vereinten Nationen, insbesondere die Erklärung, dass die zentralen Grundsätze der sowjetischen Politik „Wahlfreiheit“ und „Selbstbestimmung“ sein werden.

Es klingt wie ein Klischee, aber im Osten haben wir mit großem Interesse zugehört (deshalb erinnere ich mich an diese Versprechen). Du muss bedenken, dass, obwohl kein Land jemals gezwungen wurde, der NATO beizutreten, beim Sowjetblock genau das Gegenteil der Fall war. Kein Land meldete sich freiwillig. Wir wurden alle gewaltsam „hineingebracht“ und gegen unseren Willen festgehalten.

Budapest 1956
Budapest 1956 nicht mehr neutral. Foto: FORTEPAN / Nagy Gyula, CC BY SA 3.0

1956 versuchte Ungarn unter einem reformistischen kommunistischen Führer, Imre Nagy, den Sowjetblock zu verlassen und die Neutralität zu erklären. Die Sowjets reagierten mit einer Invasion des Landes, töteten Tausende von Zivilisten, entführten Imre Nagy, folterten ihn zwei Jahre lang und hängten ihn wegen des Verbrechens der Neutralität auf.

1968 versuchte die Tschechoslowakei unter einem reformistischen kommunistischen Führer, Alexander Dubcek, eine vorsichtigere Herangehensweise: Sie trat ausdrücklich NICHT aus dem Sowjetblock aus, wollte dem Sozialismus nur „ein menschliches Gesicht“ geben: nur einige grundlegende Freiheiten, wie Redefreiheit oder Freiheit, ein Kleinunternehmen zu gründen.

Die Sowjets antworteten mit - was sonst? - Einmarsch in das Land. Überraschung, oder? Aber dieses Mal waren sie ziemlich nachsichtig. Nur 137 Zivilisten wurden getötet, nach russischen Maßstäben ist das nichts. Dubcek wurde entführt und zum Rücktritt gezwungen, aber sein Leben wurde verschont.

Allerdings wurde jetzt klar, dass wir im Ostblock keine Wahlfreiheit und kein Recht auf Selbstbestimmung haben. Es wurde informell Breschnew-Doktrin genannt.

Gorbatschows Reden schienen es aufzuheben. Diese Frage stellten wir uns immer wieder – inwiefern? Wenn wir die Freiheit der Wahl und Selbstbestimmung haben, können wir uns dann dafür entscheiden, den Sowjetblock zu verlassen und  NATO beizutreten? „Du forderst dein Glück heraus, kleiner Genosse!“.

Michail und Raisa Gorbatschow
Michail und Raisa Gorbatschow – sie tun so, als würden sie nicht verstehen, dass sie die Pointe des Witzes sind, Bildschirmfoto von TVP Historia

1988 besuchte Gorbatschow Polen. Er sprach mit den kommunistischen Führern und Journalisten, aber auch mit einigen Gelehrten, die mit der demokratischen Opposition in Verbindung standen. Er hörte immer wieder die gleiche Frage: „Gilt die Breschnew-Doktrin noch“? Er hörte es sogar während der Abendunterhaltung, als sich herausstellte, dass der Star des Abends ein sehr beliebter Sänger/Komiker Andrzej Rosiewicz war, dessen Lied[*] im Grunde dieselbe Frage stellte, aber in einer Art Pidgin-Russisch formuliert. Gorbatschow bewahrte sein tapferes Gesicht, aber wie wir heute wissen, war er wütend auf seine Berater, die es versäumt hatten, ihn auf dieses Maß an Offenheit vorzubereiten. Er gab einige vage Antworten, die wir als Bestätigung des UN-Versprechens werteten: „Ja, du bist souverän, du kannst tun, was du willst“. Der Kommunismus in Polen war in einem Jahr verschwunden.

Im Oktober 1989 erklärte Gorbatschows Sprecher Gerasimov scherzhaft, von nun an gebe es nur noch die Sinatra-Doktrin – alle Länder könnten „ihren Weg gehen“. Dies ist der Hintergrund für die „NATO-Versprechen“ von 1989-1991: Es wurde als Reaktion auf Gorbatschows Versprechen gemacht, dass die Sowjetunion von nun an diese üble Gewohnheit der Invasion von Nachbarländern aufgeben wird.

Ich hoffe, dass sogar Noam Chomsky zustimmen würde, dass dieses Versprechen seitdem mehrfach von der Sowjetunion und Russland gebrochen wurde und daher das Versprechen „keine NATO-Erweiterung“ zunichte gemacht ist. Auch wenn Chomsky aufgrund einer verdrehten Logik denkt, dass das dem Führer der UdSSR in Bezug auf Ostdeutschland gemachte Versprechen irgendwie gültig und bindend für das heutige Russland und die Ukraine ist.

Gorbatschow selbst hat sein eigenes Versprechen bereits im Januar 1991 gebrochen. Damals waren die baltischen Staaten noch nicht einmal formell unabhängig, sie gehörten zur Sowjetunion. Ihre lokalen Obersten Sowjets erklärten jedoch Anfang/Mitte 1990 einseitig die Unabhängigkeit. Anfangs wurde sie von keinem anderen Land anerkannt, nicht einmal von den USA, und führte zur Wirtschaftsblockade von der Seite der Sowjetunion in der Hoffnung, dass diese lästigen Balten einmal wirklich hungrig werden und wegen Kälte im Winter zu Mutter Russland zurückkehren.

Es geschah nicht, also reagierte die Sowjetunion im Januar 1991 … wie? Nun, du hast drei Versuche um es zu erraten.

Diesmal töteten sie 13 unbewaffnete Zivilisten. Bitte beachte, dass die litauische Bevölkerung zehnmal kleiner war als die tschechoslowakische, also ist es nicht so, dass sie humanitärer geworden wären. Diesmal sind sie nur in ein wirklich kleines Land eingedrungen.

Das Massaker in Vilnius führte zu Massendemonstrationen zur Unterstützung Litauens in allen postsowjetischen Ländern, einschließlich Polen. Ich bin ein winziges Detail auf dem Foto unten!

Pro-litauische Demonstration in Warschau. Foto: PAP/ Cezary Słonimski

Es war uns allen (Polen, Rumänien, Ungarn usw.) eine Lehre, dass sowjetisch-russische Versprechungen wertlos sind. Sie versprechen, dass sie dich deinen eigenen Weg gehen lassen, sie versprechen, deine Wahl zu respektieren, sie mögen witzig und charmant sein und Frank Sinatra zitieren … und sie werden immer noch dich überfallen und deine Zivilisten töten, denn so ticken sie, so sind sie, dies ist der russische Weg seit Iwan dem Schrecklichen.

Kein Wunder also, dass sich die postsowjetischen Staaten so schnell wie möglich bei der Nato bewerben wollten. Die Unterstützung war nahezu einstimmig. Als Lech Walesa eine unkluge Bemerkung machte, dass die postsowjetischen Länder vielleicht ihre eigenen Bündnisse gründen sollten, anstatt sich bei der NATO und der Europäischen Gemeinschaft zu bewerben, wurde er von allen kritisiert, einschließlich seiner glühendsten Unterstützer.

Im Mai 1992 verabschiedeten Polen, Tschechien und Ungarn eine gemeinsame Erklärung, dass dies unser gemeinsames Ziel ist. Die NATO wollte uns nicht unbedingt reinlassen, sie wollte wissen, ob Russland damit einverstanden ist.

Während des Besuchs von Boris Jelzin in Warschau im Jahr 1993 war es die ihm am häufigsten gestellte Frage:  „Werden Sie einmarschieren, wenn wir versuchen, der NATO beizutreten?“. Okay, vielleicht nicht genau in diesem Wortlaut, aber das war wirklich das einzige, was wir von Russland wollten. Die beste Belohnung, die Russland den Ländern im russischen Einflussbereich anbieten kann, ist die Erlaubnis, den russischen Einflussbereich zu verlassen. Kein Gas, kein Öl, kein Gold kann den Mangel an Freiheit kompensieren.

Lech Wałęsa und Boris Jelzin unterzeichneten gemeinsam eine Erklärung, dass Russland den polnischen Wunsch, der NATO beizutreten, „versteht“. Dies kann natürlich auf zwei Arten gelesen werden – „versteht und akzeptiert“ oder „versteht und lehnt ab“. Russland veröffentlichte sofort eine Erklärung, dass nur die letztere Version korrekt sei, und die russische Propaganda verbreitete ein Gerücht, dass Jelzin nicht in seiner besten Verfassung war, als er dieses Dokument unterzeichnete, weil Wałęsa ein erfahrenerer Trinker war, der Alkohol besser vertragen konnte (ich bezweifle es aus mehreren Gründen).

Als Reaktion darauf schuf die NATO ein Programm namens „Partnerschaft für den Frieden“, zu dem alle postsowjetischen Länder eingeladen wurden – einschließlich Russland. Für einige Länder stellte es sich als ein Überholspur zum Nato-Beitritt heraus, andere waren mit ihrer Rolle als bloße Beobachter zufrieden.

Das Programm sollte gegenseitiges Vertrauen aufbauen. Wenn du teilnimmst, kannst du sagen: „Alter, was macht diese Panzerdivision so nahe an meiner Grenze?“ und du kannst deine Inspektoren schicken, um es selbst zu überprüfen.

Russland trat am 22. Juni 1994 bei (ein symbolisches Datum: Jahrestag des deutsch-sowjetischen Krieges).

Bitte lass mich wiederholen: Russland ist dem NATO-geführten Programm beigetreten. Wann haben sie aufgehört? Niemals. Technisch gesehen sind sie immer noch Mitglied, obwohl sie alle ihre Aktivitäten eingefroren haben.

Partnership for Peace
Partnerschaft für den Frieden (Wikipedia-Ausschnitt)

Nun, hier ist ein spezieller Absatz, der all jenen gewidmet ist, die rhetorische Fragen stellen wie „Würden die USA es akzeptieren, wenn Mexiko/Kanada sich Russland/China anschließen und ihre Militärbasen an der US-Grenze haben würden“. Um es relevant zu machen, müssten wir uns auch vorstellen, dass Russland/China ein Äquivalent zum Programm „Partnerschaft für den Frieden“ hat, das es den US-Verbindungsbeamten ermöglicht, zu überprüfen, was in diesen Stützpunkten vor sich geht und was ihr wirklicher Zweck ist. Wenn dies der Fall wäre … warum nicht?

Wenn jemand, der dies liest, Zugang zu Noam Chomsky hat: sag ihm bitte, dass, wenn Russland sich wirklich von der NATO „bedroht“ fühlt, es einfach Partnership For Peace verwenden kann, um zu überprüfen, was in jeder NATO-Basis vor sich geht.

Aber seien wir ehrlich. Gorbatschow marschierte im Januar 1991 nicht in Litauen ein, weil er sich von Litauen bedroht fühlte. Breschnew marschierte im August 1968 nicht in die Tschechoslowakei ein, weil er sich von der Tschechoslowakei bedroht fühlte. Chruschtschow marschierte nicht in Ungarn ein, weil er sich von Ungarn bedroht fühlte.

Sie marschieren ein, weil sie es könnten. Deshalb sind wir trotz aller Unterschiede in Polen und den Nachbarländern mehr oder weniger einig in dem Ziel, dafür zu sorgen, dass sie es nicht mehr können.

------------------- Ende des Gastbeitrages -------------------

[*] - Das Lied war auch in Deutschland bekannt, jemand hat es als ein eigenes Werk dargestellt, das ganze endete in einem Rechtsstreit. Ich kann aber im Moment nicht finden, wer es war, für Hinweise wäre ich dankbar. Dann hat es noch die Nina Hagen in "Michail, Michail, Gorbachev Rap" zitiert.

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Betreff:

Kategorie:Ostklärung

Kommentar

Gastbeitrag aus dem Eastsplaining Substack (3) – „Warum unterstützt kein slawisches Land Russland?“

Es ist meine Übersetzung der Beiträge aus Eastsplaining Substack, der Autor dieser Texte ist mit der Übersetzung und Veröffentlichung einverstanden. Quelle (englisch): https://eastsplaining.substack.com/p/why-no-slavic-country-support-russia

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Warum unterstützt kein slawisches Land Russland?

Ja, ich weiß, Weißrussland. Aber sie können nicht frei wählen, oder?

Kiew - Moskau Zeitachse

Im Februar 2022 postete die US-Botschaft in Kiew das obige Meme auf ihrer Facebook-Seite, was für einigen Applaus, aber auch für Aufruhr sorgte. „Sie schaffen Spaltungen in der slawischen Welt!“ - sagten einige Leute, die sich klar eine Märchenwelt vorstellten, in der alle slawischen Nationen vereint sind.
Es war nie so. Es gab eine kurze Periode von 1945 bis 1948, als Stalin scheinbar alle slawischen Nationen unter seinem Joch hatte, aber seine Kontrolle über Jugoslawien war bestenfalls nominell, und sie endete nach seinem Bruch mit Tito.

Die Frage, warum wir nicht in einem gemeinsamen panslawischen Land leben wollen, ist berechtigt. Ich verstehe, warum die Leute im Westen danach fragen - ich fand es auch immer schwer zu verstehen, warum es Spanien und Portugal gibt. Oder Schweden und Norwegen. Oder USA und Kanada. Aus unserer Perspektive scheinen auch Kulturen dieser Länder sehr ähnlich zu sein.

Bevor ich zu antworten versuche, schaue auf die Karte unten. Sie zeigt das größte Gebiet, das jemals von Kiewer Rus kontrolliert wurde – einem mittelalterlichen Reich, das gemeinhin als Wiege der russischen Kultur gilt. Diese Karte zeigt es am Ende ihres Ruhms, bald wird die mongolisch-tatarische Invasion der Goldenen Horde sie für immer von der Karte löschen.

Bereits vor der Invasion zerbröckelte Kiewer Rus unter der feudalen Zersplitterung – man sieht, wie einige Splitterstaaten entstehen. Bitte bemerken Sie die Abwesenheit von Moskau.

Kiewer Rus Karte
Yuri Koryakov CC BY SA 2.5

Zunächst einmal: Du muss dich darüber im Klaren sein, dass zu diesem Zeitpunkt westlich dieses Gebiets bereits slawische Staaten existierten. Das heutige Polen, Tschechien, Serbien, Kroatien usw. behaupten, ihre direkten Nachkommen zu sein. Sogar die Slowakei, obwohl es vor 1939 nie einen Staat mit diesem Namen gab, behauptet, ein Nachkomme des Fürstentums Nitra zu sein.

Diese Behauptungen sind mehr oder weniger zweifelhaft. Im Gegensatz zu Frankreich oder England kann kein zeitgenössisches slawisches Land eine ununterbrochene Kontinuität mit seinem Vorgänger aus dem 9. Jahrhundert beanspruchen. Nicht einmal Russland!

Wir alle hatten eine Zeit, in der wir „von der Landkarte abwesend“ waren – überrannt, geteilt, unterworfen von den Habsburgern, Osmanen, Deutschen, Russen, Schweden (verrückt! Ich weiß!) und so weiter. Unsere wichtigsten literarischen Werke beschäftigen sich oft mit diesem Thema – wie „wir“ unsere Staatlichkeit verloren, wie „wir“ den nationalen Geist in der Zeit der Unterdrückung bewahrten und wie „wir“ unser wohlverdientes Comeback errangen.

Ich setze „wir“ in Anführungszeichen, denn wenn ein Land von der Landkarte verschwindet und Jahrhunderte später wieder auftaucht, ist es immer noch dasselbe Land? Das ist hier eigentlich irrelevant, denn – wie der Dichter Rittersporn/Jaskier im „Witcher“-Franchise gerne sagt – es ist egal, was passiert ist, was zählt ist, wie ich es in meiner Ballade beschreibe. Ein sehr slawischer Ansatz!

Geralt und Rittersporn
Rittersporn (Jaskier) und Geralt The Witcher. ©Netflix.

Während es keine direkte Kontinuität zwischen dem mittelalterlichen Königreich Polen und der heutigen Republik Polen gibt (dasselbe gilt für Kroatien, Serbien, Tschechien usw.), „fühlen“ wir uns emotional mit „unseren“ Vorfahren verbunden. Dies ist ein sehr wichtiger Faktor, wenn man versucht, die mittelosteuropäische Politik zu verstehen.

Der durchschnittliche Deutsche hält nicht allzu viel von Heinrich dem Ersten. Aber in den slawischen Ländern setzen wir unsere mittelalterlichen Könige auf unsere Banknoten, wir benennen unsere Straßen nach ihnen und schmücken sie mit ihren Denkmälern, und das Wichtigste von allem: Unsere Bestseller-Bücher und Blockbuster-Filme handeln oft von ihrer Zeit.

In London gibt es keine Straße von William The Conqueror, aber in den meisten polnischen Städten finden Sie eine Straße von Boleslaw dem Tapferen. Wir hätten wahrscheinlich sogar Æthelred dem Unberatenen eine kleine Gasse gewidmet, wenn er unser König gewesen wäre.

Das geht bis ins kleinste Detail. Solltest du jemals Krakau besuchen, wirst du zwei Dinge bemerken. Einer davon ist der Trompetenruf, der stündlich vom höchsten Turm der gotischen Kathedrale gespielt wird. Die Melodie endet abrupt mit einem falschen Ton.

Es gibt eine Legende, dass dies getan wird, um den Stadtwächter zu ehren, der den Ruf spielte, um die Menschen vor der bevorstehenden mongolischen Invasion im 13. Jahrhundert zu warnen. Sie schossen mit einem Pfeil auf ihn, aber die Krakauer hatten Zeit, die Tore zu schließen.

Diese Legende ist komplett gefälscht. Es wurde zuerst von einem Amerikaner in Krakau gemeldet, der von den Einheimischen zum Narren gehalten wurde. Zunächst einmal wurde Krakau 1241 von den Mongolen geplündert. Leider gab es keinen Trompeter, der den Tag retten konnte.

Genau wie in den Balladen von Rittersporn – die Wahrheit spielt hier keine Rolle! Wichtig ist, dass jedes Kind in Polen die Legende kennt. Jeden Tag genau um 12.00 Uhr wird der Trompetenruf live von Radio Warschau Eins aus Krakau übertragen (natürlich auch eine mittelalterliche Tradition!), und wir haben früher unsere Uhren nach diesem Signal gestellt. In Zeiten des Internets macht das wenig Sinn, aber die Abschaffung dieser Tradition würde zu Straßenunruhen führen.

Wenn du also in Polen bist, wirst du diese Melodie wahrscheinlich mittags in einem Café oder Restaurant hören, vorausgesetzt, das Radio ist auf Warschau Eins eingestellt. Lernst du außerdem Lajkonik kennen - es ist ein halboffizielles Maskottchen von Krakau, ein seltsamer Typ mit einem hölzernen Pferd, gekleidet in orientalisch anmutende Kleidung und mit falschem Bart.

Lajkonik
Wandbild mit Lajkonik. Foto: Mateusz Drożdż, CC BY SA 4.0

Diese Legende ist mittelalterlich (diesmal wirklich: es gibt Quellen, die sie bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen). Lajkonik ist dein freundlicher Eindringling, der zum Plündern und Vergewaltigen kam und für die Party blieb. Krakau ist voll von seinen Bildern und die Leute, die ihn auf der Straße von Krakau cosplayen, bieten Ihnen eine großartige Gelegenheit zum Fotografieren (für etwas Kleingeld).

Und es ist nicht so, dass wir nur dieser mongolischen Invasion aus dem 13. Jahrhundert gedenken. Wir widmen den nachfolgenden Invasionen, Kriegen und Aufständen aus dem 14., 15., 16., 17., 18., 19. und natürlich dem verdammten 20. Jahrhundert viel Aufmerksamkeit.

Über all das machen wir uns jeden Tag viele Gedanken. Wir tun dies sogar bei so alltäglichen Aufgaben wie dem Einsteigen in einen Zug (Intercity Lajkonik Gdynia-Krakau) oder dem Stellen der Uhr. Bildlich gesprochen sind unsere Uhren auf die Zeitzone 1241 eingestellt.

Dies gilt mehr oder weniger für alle slawischen Nationen, sogar für Russland. Westliche Politiker vergessen das oft. Sie sprechen gerne über die Gegenwart und die Zukunft, und wir haben immer das Bedürfnis, über unsere Vergangenheit zu sprechen (beachte bitte, ich tue es gerade jetzt!). Solltest du jemals einen Deal mit einem zentralöstlichen Land aushandeln, erwäge, deinen Angebot wie folgt aufzubauen: „Ihr großer König Tomislav würde den Deal, den ich anbiete, sicherlich genehmigen“ (HINWEIS: Beziehe dich nicht auf einen kroatischen König, wenn du in Serbien bist, an einen serbischen in Bosnien usw.).

Nachfolgend findest du eine Erinnerung an eine äußerst erfolgreiche Werbekampagne von 1990, als ein modernes Waschpulver auf sehr verdrehte, aber lustige Weise mit dem polnisch-schwedischen Krieg von 1655 in Verbindung gebracht wurde. Es inspirierte eine Reihe von Nachahmern, zunehmend verdreht und immer weniger lustig.

Opritschniki

Kehren wir zu unserer Karte von Rus zurück. In den Jahren 1236-1241 zerstörte die Invasion von Batu Khan fast alle Splitterstaaten und Rus verschwand für immer von der Landkarte.

Warte, was!? Für immer? Ja. Russland ist nicht dasselbe wie Rus (Ruthenien). Jede europäische Sprache hat eine Möglichkeit, sie zu unterscheiden (im Russischen ist dies „Rossiya“ versus „Rus“).

Rus ist ein breiter Name für alle Nationen mit ruthenischer Kultur - derzeit Weißrussland, Ukraine und Russland. Russland ist aus dem Großfürstentum Moskau hervorgegangen, einem Splitterstaat des Fürstentums Wladimir-Susdal, der selbst ein Splitterstaat der Kiewer Rus war.

Es gibt sogar ein drittes Wort: Russinnen. Es bezeichnet die Menschen mit ruthenischer / ostslawischer Kultur, die sich nicht mit einer slawischen Mainstream-Nation identifizieren. Während der zahlreichen ethnischen Säuberungen im letzten Jahrhundert wurden sie gezwungen, die Wahl („Bist du Pole oder Ukrainer?“) buchstäblich mit vorgehaltener Waffe zu treffen, so dass nur sehr wenige von ihnen übrig bleiben.

Die Russen sehen sich als die einzigen legitimen Nachfolger der Kiewer Rus, aber das kann man weder beweisen noch widerlegen. Es ist nicht wissenschaftlich. Es ist nur eine Ballade, die von ihren Rittersporns gesungen wird, während unsere Rittersporns andere Lieder singen.

Wie genau erschien das Großfürstentum Moskau auf der Karte? Ihr Rittersporn singt ein Lied davon, wie Alexander Newski und Iwan Kalita ein schlaues Spiel mit den mongolischen Invasoren spielten. Mehr als zwei Jahrhunderte lang gaben sie vor, die treuen Vasallen des Khans zu sein, die auf den richtigen Moment warteten, der 1480 kam. Sie befreiten sich vom mongolischen Joch und vereinten anschließend die meisten ruthenischen Länder (aber nie alle, da in der Zwischenzeit eroberte die polnisch-litauische Union Weiß- und Rotruthenien und bewahrte die Kerne des zukünftigen Weißrusslands und der Ukraine).

Unsere Balladen sind anders. Wir betonen die Tatsache, dass das Großfürstentum Moskau seinen Wohlstand den mongolischen Eindringlingen verdankte. Die Fürsten von Moskau waren die Favoriten des Khans – bis zu dem Punkt, an dem sie ihre Armeen entsandten, um dem Besatzer zu helfen, die antimongolischen Aufstände in den anderen ruthenischen Städten zu befrieden.

Russen töten Russen im Namen der Mongolen! Das ist ein großes No-Go in der slawischen Kultur. Wir schätzen die Helden, die lieber sterben als sich vor dem Besatzer beugen, wie den tapferen Prinzen Michail von Twer, der 1318 von den Mongolen hingerichtet wurde. Der Gehorsam der Fürsten von Moskau erscheint uns leicht … wie soll ich sagen? Unslawisch.

Der in den anderen slawischen Sprachen (insbesondere in Polen und der Ukraine) beliebte ethnische Schimpfwort für die Russen lautet „Katsaps“ (auf polnisch wird es im Singular "kacap" geschrieben) . Angeblich leitet es sich von einem türkischen Wort für einen Tatarenbart ab und enthält somit eine nicht ganz so subtile Anspielung darauf, dass „das nicht einmal echte Slawen sind!“. Ich bin natürlich gegen jegliche Verwendung von Schimpfwörtern, ich erwähne es nur als Hinweis.
Übrigens: Alle hierin enthaltenen Erwähnungen von „Mongolei“ oder „Tataren“ beziehen sich ausschließlich auf das Mittelalter. Der gegenwärtige mongolische Staat ist friedlich und demokratisch, ein leuchtendes Beispiel, dem man folgen sollte. Und die zeitgenössischen Tataren sind die beliebteste ethnische Minderheit in den slawischen Ländern, insbesondere in Polen.

Wenn sich Menschen im Westen die Frage stellen „Wie ist es möglich, mit islamischen Minderheiten zusammenzuleben“, haben wir über 5 Jahrhunderte friedlichen Multikulturalismus mit den polnischen Tataren. Nachdem sie dieses Plünderungsding aufgegeben und sich niedergelassen hatten, erwiesen sie sich als sehr nette Kerle. Vielleicht steckt also ein Körnchen Wahrheit in der Legende von Lajkonik?

Inzwischen in Moskau... Der Status der „bevorzugten Prinzen des Khans“ ermöglichte den Herrschern von Moskau, die meisten anderen ruthenischen Städte zu erobern. Mitte des 15. Jahrhunderts waren sie mächtig genug, um sich die Herrscher der gesamten Rus zu nennen.

Prinz Iwan III. heiratete die letzte byzantinische Prinzessin Zoe Palaiologos und ernannte sich selbst zum Kaiser (Zar), dem Erben des gefallenen Byzantinischen Reiches. Er übernahm das byzantinische Wappen (Doppeladler) und – entscheidend – die byzantinischen Hofrituale, in denen der Kaiser wie eine Gottheit verehrt wurde.

Opritschniki von Nikolai Nevrev (1888). Iwan der Schreckliche genießt die Hinrichtung.

Damit haben sie sich weiter vom Rest der slawischen Welt entfremdet. Siehst du, wir mögen es, wenn unsere Könige, unsere Präsidenten und sogar unsere Militärdiktatoren „wie der Rest von uns“ sind (oder zumindest so tun). Wir wollen, dass sie „die Ersten unter Gleichen“ („primus inter pares“) sind.

Wir vergöttern die Kriegerkönige, die das Zelt mit ihren Truppen teilten, oder die Städterkönige, die durch die Straßen gingen und mit dem einfachen Volk sprachen. Der polnische Militärdiktator der 1920er Jahre bestand bekanntermaßen darauf, im regulären Zug im Abteil der zweiten Klasse zu reisen. Nochmals: Das sind nur die Balladen, die unsere Rittersporns singen, aber sie zeigen, welche Art von Anführern wir haben wollen.

Wenn wir Putin am königlichen Ende seiner langen Tafel sitzen sehen, sehen wir etwas entschieden Unslawisches. Die zeitgenössischen russischen Führer erbten die Bräuche der bolschewistischen Führer, die die Bräuche der Zaren erbten, die auf einer Verschmelzung von mongolischen/tatarischen Khans und den byzantinischen vergötterten Kaisern basierten.

Putin am Tisch

Wenn der Zar seine Untertanen empfing, sollten sie sich in niedergestreckter Haltung (Arme ausgestreckt, Gesicht nach unten) hinlegen und mit der Stirn auf den Boden schlagen. Wir hatten unser slawisches Wort für Headbangenczołobitnosc – lange bevor die Heavy-Metal-Musik im Westen erfunden wurde!

Zar Paul I. dehnte dieses Ritual im Jahr 1800 (berüchtigterweise) auf alle aus, die das Pech hatten, ihm auf der Straße zu begegnen. Egal wie schmutzig es war, sie sollten mit dem Gesicht nach unten in den Schlamm fallen, um ihren Respekt vor dem sakrosankten Tyrannen zu zeigen. Ist es so seltsam, dass wir, die anderen Slawen, solche Anführer nie haben wollten? Möchten Sie so einen haben?

Im 19. Jahrhundert, als Polen noch nicht auf einer Landkarte war (erinnerst du dich?), wurde das Wort „byzantinisch“ von den polnischen Schriftstellern verwendet, um die russische Zensur zu umgehen. „Sag mir, dass du Russland kritisierst, ohne mir zu sagen, dass du Russland kritisierst.“ „Sicher, Kumpel – Gott, ich hasse Byzanz!“.

Noch heute wird „Byzantinisch“ im allgemeinen Sprachgebrauch als Metapher für entfremdete, arrogante, missbräuchliche Macht verwendet. Wenn du unsere Geschichte nicht kennst, könntest du dich fragen, was Konstantinopel getan hat, um die Polen zu beleidigen, dass wir immer noch den Groll hegen.

Während die Niederwerfung vor Putin nicht mehr erforderlich ist, mischen sich die russischen Führer nie unter ihre Untertanen auf der Straße. Sie genießen spezielle Straßenspuren, die den besten Kreml-Apparatschiks vorbehalten sind. Auf dem Kutusow-Prospekt im Stau zu stehen und die leere „Nur fur Kreml“-Spur zu beobachten, kann ebenso demütigend sein.

Kreml-Spur
Kutusow Prospekt mit der Kremlgasse in der Mitte, mos.ru CC BY 4.0

Wenn du zu den anderen slawischen – oder sogar ruthenischen – Nationen gehörst, siehst du es nicht als Teil deiner Kultur. Im Gegenteil, du siehst eine schreckliche Mischung aus den barbarischen Khans und den entfremdeten Kaisern - Dschingis Palaiologos, nicht den guten alten König Slawianski.

Dies ist einer der Gründe, warum pro-russische Politiker in keinem slawischen Land (einschließlich Serbien, ihrem traditionellen Verbündeten) eine Chance haben, die Wahl zu gewinnen. Der Panslawismus ist politisch tot, und er starb lange vor diesem Krieg (deshalb waren wir alle so gierig darauf, der NATO und der EU so schnell wie möglich beizutreten).

Zu Beginn des Krieges besuchte Joe Biden eine Militäreinheit in Polen und teilte eine Pizza mit den einfachen Soldaten. Sie brachten ihn dazu, Peperoni-Jalapeno zu essen, und er beendete es tapfer mit einem Lächeln (man konnte jedoch Tränen des Schmerzes in seinen Augen sehen).

Ich weiß nicht, ob es spontan war, und ich weiß nicht, wie es im Westen aufgenommen wurde – aber ich weiß, dass man so die Herzen und Köpfe in den slawischen Ländern gewinnt. Du gewinnst sie, indem du eine Mahlzeit mit den einfachen Leuten teilst – nicht etwas schicki-micki, mit einem Hubschrauber aus einem Michelin-Sterne-Gourmetrestaurant „Le Pizza“ geliefert, sondern eine zwanglose 8-Dollar-Pizza, die ein durchschnittlicher Kowalski zu Mittag isst.

Ich verstehe, dass alle Politik ein Theater ist und dies wahrscheinlich von Mitarbeitern des Weißen Hauses inszeniert wurde, die sich mit der slawischen Kultur auskennen (Scholz und Macron könnten ihren Rat gebrauchen). Schaue bitte, wie sich die Pizzeriabesitzer auf diese Episode beziehen.

Ostry Joe Pizza

Sie benannten diese spezielle Pizza in „Ostry Joe“ um. Doppeldeutig, denn „Ostry“ ist im gastronomischen Kontext wörtlich „scharf“, aber wenn man es mit einem Namen verbindet, sieht es aus wie ein Spitzname, irgendetwas zwischen „Joe der Scharfe“ und „Joe Messer“. Deshalb wird das Wort „Ostry“ zweimal erwähnt: einmal im Pizzanamen und einmal in Klammern („Achtung: SCHARF!“).

Die Restaurantbesitzer waren sicherlich stolz darauf, über Nacht zu einem Symbol der polnisch-amerikanischen Freundschaft geworden zu sein, sie haben einige Interviews gegeben, aber bitte beachte, dass sie auf ihrer Website nicht damit prahlen. Es gibt nur eine dezente US-Flagge im Hintergrund. Es zu ernst zu nehmen wäre zu byzantinisch, ihre Stammkunden würden es nicht mögen.

Sie nannten es nicht „Präsidenten Pizza“ oder „Joe Biden’s Pizza“. Sie wählen „Joe der Scharfe“ und verwandeln es in einen Witz, der an eine Rittersporn-Ballade des legendären slawischen Kriegerkönigs „Ziutek den Scharfen“ erinnert.

Stell dich nun vor, Wladimir Putin teilt 8-Dollar-Pizza mit gewöhnlichen Soldaten. Kannst du es nicht? Ich kann's auch nicht. Herzlichen Glückwunsch, ich denke, du verstehst jetzt, warum keine slawische Nation der „russischen Welt“ beitreten möchte (selbst wenn sie sich selbst als Ruthenen betrachten).

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Betreff:

Kategorie:Ostklärung

Kommentar

Gastbeitrag aus dem Eastsplaining Substack(2) – „Die Ukraine ist wie Irland“

Es ist meine Übersetzung der Beiträge aus Eastsplaining Substack, der Autor dieser Texte ist mit der Übersetzung und Veröffentlichung einverstanden. Quelle (englisch): https://eastsplaining.substack.com/p/ukraine-is-like-ireland

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Die Ukraine ist wie Irland

Russisch zu sprechen, bedeutet nicht Russe zu sein

Stelle dir vor, du surfst in den sozialen Medien, kümmerst dich um deine eigenen Angelegenheiten und plötzlich stößt du auf einen folgenden Plan für Irland:

Irland sollte mit dem Vereinigten Königreich wiedervereinigt werden. Dies ist ein historisch englisches Territorium. Die Mehrheit der Bevölkerung spricht Englisch, sie sind eigentlich Briten, die mit der nationalistischen irischen Ideologie einer Gehirnwäsche unterzogen wurden. Die irischen Nationalisten sind Terroristen und Nazis (erinnern Sie sich an William Joyce? Warum spricht niemand über ihn? Was versuchen die Mainstream-Medien zu verbergen?). Irland ist ein künstliches Land, es war vor 1922 nicht auf der Landkarte (Irrtum von Lloyd George!). London hat jedes Recht, Dublin zu bombardieren, um die englischsprachige Bevölkerung zu schützen.

Du wirst es wahrscheinlich für das Dümmste halten, was du heute gelesen hast. Auch wenn man Promi-Klatsch auf Instagram in Betracht zieht.

Herzlichen Glückwunsch, jetzt fühlst du dich wie die Osteuropäer, wenn uns Elon Musk, Roger Waters oder Tucker Carlson mit ihrem Expertenwissen über unsere Region aufklären. Jeder Satz in diesem Absatz ist eine direkte Parodie auf ähnliche Behauptungen in Bezug auf die Ukraine („Die Ukraine hat vor 1917 nicht existiert! Chruschtschows/Lenins Fehler! Sie sprechen Russisch! Dies sind historisch russische Länder! Und was ist mit dem Bandera?“).

Eine Behauptung finden wir besonders ärgerlich. Es ist die Annahme, dass „Russisch sprechend“ mit „Russisch“ verbunden ist (und die unmittelbare Schlussfolgerung, dass jemand, der „Russisch spricht“, es einfach nicht erwarten kann, von Putin „beschützt“ zu werden).

Irgendwie scheinen die Menschen im Westen ziemlich an die allgemeine Vorstellung gewöhnt zu sein, dass Englisch zu sprechen noch lange nicht heißt, ein Engländer zu sein. Du könntest ein englischsprachiger Ire, ein englischsprachiger Kanadier, ein englischsprachiger Amerikaner oder vielleicht sogar ein englischsprachiger Australier sein (genauer nachgedacht - streiche das letzte Beispiel).

Frankophon zu sein, macht dich nicht zu einem Franzosen. Spanisch zu sprechen macht dich nicht zum Spanier. Selbst das Schwedisch Sprechen macht dich nicht zu einem Schweden (es gibt eine beträchtlich große Population schwedischsprachigen Finnen).

Wenn du dich die Karte der heutigen Welt ansiehst und sie mit einer historischen Karte von, sagen wir, 1830 vergleichen, wirst du auf ersterer viele Länder finden, die auf letzterer fehlen. Sind sie alle „künstlich“?

Sie haben sich ihren Platz auf dieser Landkarte erobert, indem sie Kriege geführt, Aufstände organisiert und Revolutionen begonnen haben. Das gilt für die Ukraine genauso wie für Belgien oder Finnland. Wenn die Ukraine künstlich ist, dann ist jedes Land künstlich.

Ich werde es in den folgenden Beiträgen weiter untersuchen, aber erwäge vorerst bitte die Verwendung des „Irland-Kriteriums“. Wenn eine Argumentation für Irland falsch ist, ist sie für die Ukraine wahrscheinlich ebenso dumm.
So wie es sehr einfach ist, sich einen irischen Nationalisten vorzustellen, der keine andere Sprache als Englisch spricht, ist es ebenso einfach, sich jemanden vorzustellen, dessen Muttersprache Russisch ist, der die orthodoxe Kirche besucht, russische Musik hört, russische Bücher liest, Banja genießt, Wodka trinkt, den Kasatschok tanzt - und sich überhaupt nicht russisch fühlt. Er fühlt sich vielleicht als Este, Moldawier oder Georgier und zeigt stolz einen Autoaufkleber „RUSSKY VOYENNY KORABL IDI NAKHOOY“ auf seinem Schiguli (natürlich in Kyrillisch).

Dieser Typ könnte jetzt sogar für die Ukraine kämpfen.

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Kategorie:Ostklärung

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Gastbeitrag aus dem Eastsplaining Substack (1) – „Warum, für wen und wofür“.

Es ist meine Übersetzung der Beiträge aus Eastsplaining Substack, der Autor dieser Texte ist mit der Übersetzung und Veröffentlichung einverstanden. Quelle (englisch): https://eastsplaining.substack.com/p/why-and-who-and-what-for

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Warum, für wen und wofür

Ich bin kein Experte für irgendetwas, aber ich lese viel und reise viel. Besonders in Mittel- und Osteuropa, wo ich lebe. Der Krieg in der Ukraine ist wahrscheinlich eines der wichtigsten politischen Ereignisse meines Lebens (wenn nicht sogar DAS wichtigste!), daher habe ich in letzter Zeit besonders viel über dieses Thema gelesen.

Mir ist aufgefallen, dass manche Leute im Westen ein sehr vages Verständnis von osteuropäischer Politik haben. Das ist in Ordnung, ich weiß auch so gut wie nichts über Afrika oder Lateinamerika.

Der schwierige Teil ist, wenn die Westler anfangen, über unsere Region zu dozieren, indem sie den grundlegenden Mangel an Verständnis der Dinge zeigen, z.B. durch Verwechselung von „Russischsprachigen“ mit „Russen“. Wir nennen es „Westsplaining“.

Dieser Substack ist ein Versuch, Dinge für alle Interessierten zu „Eastsplainen“. Im Idealfall könnte es ein Treffpunkt für Ost und West, zum höflichen und aufschlussreichen Gedankenaustausch werden. Aber ich wurde ja auch nicht erst gestern geboren, also erwarte ich mir nicht viel von Diskussionen im Internet.

Dennoch: Solltest du dich entscheiden, einen Kommentar zu posten, bitte ich dich demütig, höflich und beim Thema zu bleiben und keine ethnischen Beleidigungen (und überhaupt keine Beleidigungen) zu verwenden. Die Kommentare werden nach diesen Grundsätzen moderiert.

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Kommentare werden auch hier nach den im Gastbeitrag erwähnten Regeln moderiert.

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Kategorie:Ostklärung

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Reaktivierung – des Krieges wegen.

Mein Blog war schon seit mehreren Jahren tot, das kann ich nicht leugnen. Als Entschuldigung: Ich hatte (selbstverschuldete) technische Probleme mit meinem (selbstgehosteten) WordPress. Als ich die endlich beheben konnte, wurde ich kurz darauf zum Freiberufler und hatte überhaupt keine Zeit mehr etwas zu schreiben. Es kam fast gleichzeitig mit dem Anfang des Ukraine-Krieges.

Seit schon fast einem Jahr sehe ich, dass die Deutschen kaum die Problematik der Länder verstehen, die zwischen der deutschen Ostgrenze und Russland liegen. Das betrifft sowohl Polen und andere Länder die bereits in EU sind, wie Litauen, Lettland, Estland, Slowakei, usw., als auch diese, die noch mehr oder weniger in russischer Einflusszone sich befinden, wie Weißrussland und eben Ukraine.

Und letztens sprach ich mit deutschen Russlandversteher, und das war ein Grauen! Die hatten genau die gleichen "Argumente", die russische Propaganda immer wieder jedem einprägen will! Woher weiß ich, was die russische Propaganda wirklich sagt, könnt ihr fragen? Ich kann nämlich Russisch. Vor Paar Jahrzehnten Sprach ich Russisch ganz gut und konnte flüssig die kyrillische Schrift lesen.  Danach hatte ich nur wenig Kontakt mit dieser Sprache, trotzdem verstehe ich problemlos, was auf Russisch gesagt wird. Russisch lesen kann ich immer noch, auch wenn nicht mehr so schnell. Und seit dem Beginn des Krieges schaue ich täglich, was die Russen und die Ukrainer dazu sagen. Fast alle Ukrainer sprechen russisch, als erste oder zweite Sprache. Und selbst wenn sie Ukrainisch sprechen - ich stellte fest, dass ich es auch gut verstehe. Es ist kein Wunder - ich bin doch ein Pole und die ukrainische Sprache ist eine Sprache zwischen Polnisch und Russisch. Polen und Ukraine haben eine lange (und nicht immer einfache) gemeinsame Geschichte. Diese Geschichte wäre ein super Thema für Beiträge, die den deutschsprachigen Leser den wirklich notwendigen Hintergrund zu aktuellen Ereignissen bringen würden. Aber leider habe ich keine Zeit dafür, was tun?

Glücklicherweise spürte mein Bekannter aus Polen, ein ehemaliger Journalist aus der größten polnischen Tageszeitung, ein ähnliches Bedürfnis, und er schrieb solche Gedanken und Fakten auf englisch nieder. Er war in der Zeitung für populäre Kultur verantwortlich, so sind seine Texte leicht und witzig, trotz des ernsten und korrekten Inhalts. Er hat sie in den letzten Tagen auf Substack veröffentlicht.

Ich schlug ihm vor, dass ich seine Texte ins Deutsche übersetze, dann solle er noch ein Substack anlegen und diese dort platzieren, dafür hat er aber auch keine Zeit. So haben wir vereinbart, dass ich die Übersetzungen hier, in meinen Blog lege. Und jetzt wird es so gemacht!

Die neuen Beiträge werden Kategorie "Ostklärung" bekommen - die Quelle heißt "Eastsplaining", was die offensichtliche Anspielung an "Mansplaining" ist. Und "Mansplaining" ist "Herrklärung" in Deutsch.

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Kategorie:Ostklärung

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