Polen, so nah und doch so fremd. Zwischen Polen und Deutschland, manchmal auch in der DDR.

Gastbeitrag aus dem Eastsplaining Substack (20) – Tod auf dem Dnipro

Es ist meine Übersetzung der Beiträge aus Eastsplaining Substack, der Autor dieser Texte ist mit der Übersetzung und Veröffentlichung einverstanden. Quelle (englisch):  https://eastsplaining.substack.com/p/death-on-dnipro

Dieser Beitrag ist auch nicht mehr frisch, aber wenn ich sage, ich übersetze alle Beiträge, dann meine ich wirklich alle.

------------------- Anfang des Gastbeitrages -------------------

Tod  auf dem Dnipro.

Panik, Aufruhr und Depression bei russischen Militärbloggern

Dieser Substack entwickelt sich allmählich zu einem "Digest of Russian Telegram Channels", aber ich finde, dass es eigentlich ganz gut ist. Die anderen Dinge kann man leicht anderswo finden, aber ich spüre ein akutes Defizit an Verständnis dafür, wie "russische Russen" den Krieg wahrnehmen.

In letzter Zeit gibt es viel Panik und Aufregung über den ukrainischen Brückenkopf auf der anderen Seite des Dnipro in der Nähe der Antoniwkabrücke. Einerseits besteht hier keine ernsthafte Bedrohung für die Russen - bis zur nächsten Stadt (Oleschky) sind es 2 km Sumpfgebiet und ein weiteres Vordringen der Ukrainer ist nicht möglich. Darin sind sich die Analysten auf beiden Seiten einig.

Die Russen sind vor allem verärgert, weil dieser Brückenkopf leicht zu beseitigen scheint. Ein Iskander oder eine FAB-500 sollten ausreichen. Dies führt die Russen in ein sinusförmiges Muster von Euphorie und Depression - an einem Tag heißt es "endlich! alle Ukrainer durch unsere Iskander / Luftfahrt / TOS-1 getötet!

Standbild aus dem Video vom Tod russischer Soldaten (aus Telegram-Kanal "Narodnyj Front")

Ein von ukrainischen Quellen veröffentlichtes Video sorgte für besondere Aufregung. Ich stelle hier absichtlich nur einen Screenshot ein, der aus einer zensierten und geschwärzten Version einer russischen Quelle stammt. Das Originalmaterial ist furchtbar, Sie können versuchen, es selbst zu finden, wenn Sie wirklich sehen wollen, wie jemand durch einen direkten Granattreffer stirbt. In ziemlich guter Auflösung.

"Sie hatten nur 18 Sekunden Zeit, um den Motor des Bootes zu starten und sich zu retten. Aber er sprang nicht an" - so lautet die Überschrift des russischen Telegrammkanals "Narodnyj Front" ("Nationale Front").

Die Russen haben eine Uhr in das Filmmaterial eingeblendet. Auf diesem Screenshot zeigt sie 00:00:57 an, was bedeutet, dass die beiden Männer im Boot in 17 Sekunden tot sein werden.

Das gesamte Filmmaterial zeigt einen gescheiterten Versuch, den ukrainischen Brückenkopf von hinten anzugreifen. Da das Ganze von einer ukrainischen Drohne gefilmt wurde, wissen wir, dass alle Russen in diesem Boot dem Untergang geweiht sind, noch bevor sie das Ufer erreicht haben.

Die Drohne fliegt über das Boot und wirft die erste Granate in das Boot. Alle Russen, ob tot oder lebendig, werden durch die Explosion vom Boot geschleudert.

Zwei schaffen es, zurück zu klettern. Einer von ihnen versucht verzweifelt, den Motor zu starten. Auch wenn man sie als Feinde wahrnimmt, ist es schmerzhaft, ihnen zuzusehen.

Kurz vor 00:18:00 Uhr schlägt eine weitere Granate ein und tötet die letzten beiden Überlebenden. Dann nähert sich ein ukrainischer Trupp, der letzte Granaten abfeuert, nur um sicherzugehen, dass es keine Überlebenden gibt.

Warum ist das überhaupt passiert? Wer hat diesen hirnverbrannten Befehl gegeben? Warum benutzt unsere Armee ein unzuverlässiges, ziviles Boot? Warum haben wir nach 16 Monaten Krieg, in denen der Fluss Dnipro vom ersten Tag an eine wichtige Rolle spielte, keine reguläre Flussflottille?

Die russischen TG-Kanäle stellen diese Fragen immer wieder. Einige von ihnen werden sogar beantwortet - laut russischen Militärbloggern ist dies ein weiteres Beispiel für den Führungsstil von General Oleg Leontjewitsch Makarewitsch.

Makarewitsch mit Putin, April 2023. © kremlin . ru (aus Wikipedia), CC BY 4.0

Offenbar ist dies nicht der erste hirnrissige Befehl, den er an diesem Frontabschnitt erteilt. Zuvor schickte er russische Soldaten, die durch russische Minenfelder getötet werden sollten. Andere Soldaten wurden geschickt, um von ukrainischer Artillerie dezimiert zu werden, die das höher gelegene Gelände der Cherson-Klippe ausnutzte. All dies wird von verschiedenen russischen Militärbloggern berichtet.

Wenn es tatsächlich die russische Seite war, die den Staudamm von Kachowka gesprengt hat, wäre er auch dafür verantwortlich. Und eigentlich scheint er die Art von Person zu sein, die bereit ist, solchen humanitären Unsinn zu ignorieren, wie "aber Sir, auf unserer Seite werden Zivilisten sterben!". Selbst wenn es jemand wagen würde, ihm das zu sagen, würde er mit "na und?" antworten, genauso wie auf das hypothetische "aber Sir, Sie schicken unsere Jungs in unser eigenes Minenfeld!".

Diese Diskussion führte zu einem noch nie dagewesenen Ausmaß an Hass gegenüber den russischen Militärbloggern von ihren eigenen Lesern. "Warum verhöhnt euch unsere Truppen? Warum verleumdet ihr unsere Kommandeure? Und vor allem, warum lügt ihr? Es gibt eine große Flottille von super-duper ultramodernen Schnellbooten, die auf der Welt ihresgleichen suchen, wir haben die Bilder gesehen"!

Eine Sammlung von Bildern, die angeblich die Dnipro-Flottille zeigen (aus dem Telegrammkanal von Michman Ptitschkin)

Der Militärblogger Michman Ptitschkin, der über alles, was in Russland schwimmt (oder sinkt), gut informiert zu sein scheint, hat diese Bilder in einer ausführlichen Analyse analysiert. Er schrieb im Wesentlichen auf, was öffentlich verkündet wurde (alle Flussboote wurden im letzten Herbst geliefert) und was tatsächlich geschah (einige Flussboote wurden in diesem Frühjahr geliefert, aber nicht an die eigentlichen Fronttruppen).

Alexander Kots, der gleichzeitig Journalist der "Komsomolskaja Prawda" und Blogger ist (unter seinem eigenen Namen, das ist mutig!), liefert einen guten Kommentar. "Das ist der Klassiker des Genres ("klassika zhanra"): zu zeigen, dass alles da ist. Drei schöne Boote, die offenbar für das Foto sauber geschrubbt wurden".

Aus dem Telegramm-Kanal von Alexander Kots

Ich glaube, man kann es nicht oft genug wiederholen: In Russland besteht ein großer Unterschied zwischen der offiziellen Ankündigung mit Fotos und dem, was TATSÄCHLICH passiert. Bis zu einem gewissen Grad gilt das wahrscheinlich für jedes Land, aber es gibt einen Grund, warum die russische Sprache eine ganze Palette von Redewendungen und Ausdrücken entwickelt hat, die diese Diskrepanz beschreiben.

Viele Menschen - insbesondere pro-russisch eingestellte Menschen im Westen - fallen darauf herein. Sie sagen: Seht euch dieses Bild an, das ist ein T-14 Armata, der beste Panzer der Welt. Und hier ist eine Hyperschallrakete, die nicht abgefangen werden kann (und aus irgendeinem Grund setzen wir sie nicht ein, um die ukrainische Infrastruktur zu zerstören!). Und da ist die Su-57, ein Kampfflugzeug, das so ultra-turbo-stealth ist, dass niemand es je im Einsatz gesehen hat!

Falls mir jemand aus dieser Gruppe einen Besuch abstattet (hallo!), habe ich ein weiteres Bild für ihn. Es stammt von Andrey Medwedew, der einen anderen Blogger zitiert, "Poddubny Z-O-V" (er hat diese Buchstaben nicht in seinen Namen eingebaut, weil er gegen den Krieg ist, glauben Sie mir).

Jeder, der noch an die russische Macht glaubt, sollte dieses Bild sehen. Das sind tatsächlich die Räder eines Militärlasters einer Artillerieeinheit - so der russische Militärblogger Andrey Medwedew (aus seinem Telegram-Kanal)

"Mein Freund Evgeny Poddubny hat eine sehr gute Frage gestellt. Wer sind die Leute, denen es bis zum heutigen Tag erlaubt ist, die ausgemusterte militärische Ausrüstung zu verkaufen? Wer erlaubt ihnen immer noch - wenn der Krieg noch anderthalb Jahre andauert - das System der Abschreibung von Ausrüstung zum Schrottwert und den Weiterverkauf zum vollen Marktpreis?"

Medwedew verweist auf Poddubny, der eine besondere Situation schildert, die seine Freunde an der Front erlebt haben. Ihre Einheit konnte auf dem offiziellen Weg keine neuen Reifen für ihre Lastwagen bekommen. Und warum? "Fragen Sie nicht einmal, das ist die ewige Geschichte, die man nicht ohne obszönes Vokabular beschreiben kann" (meine wörtliche Übersetzung).

Poddubny kaufte die Reifen für seine Freunde, aber da nagelneue Reifen in Militärqualität "Millionen" kosteten, kaufte er gebrauchte Reifen von "den Gaunern aus den russischen Pseudo-Heeresbeständen" (wörtlich: "baryg iz psevdo rosreservov"). Es scheint, dass er sie mehr oder weniger von der gleichen Quelle gekauft hat, von der die Reifen einfach an die Einheit geliefert werden sollten, die sie benötigt.

"Wenn es sich um einen Einzelfall handeln würde, dann ist das in Ordnung - aber das ist Wildnis. Und das Gleiche gilt für die Boote, die gleiche Wildnis, mit der man zurechtkommen muss", so Poddubny abschließend.

Und Medwedew schließt mit einem Appell: Schließen Sie sich der Initiative der Nationalen Front an, um das Geld für den Kauf eines Bootes für unsere Soldaten zu sammeln! Denn die glänzenden Boote von der Fotosession sind immer noch nicht bei der Truppe - wenn jemand sie benutzt, dann wahrscheinlich derselbe Typ, der die gestohlenen Reifen verkauft hat, das Geld genommen hat und in den wohlverdienten Urlaub gefahren ist. Er angelt im Baykal-See, mit seinem glänzenden, brandneuen Super-Duper-Schnellboot.

------------------- Ende des Gastbeitrages ---------

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