Polen, so nah und doch so fremd. Zwischen Polen und Deutschland, manchmal auch in der DDR.

Gastbeitrag aus dem Eastsplaining Substack (15) – Rassismus in Russland

Es ist meine Übersetzung der Beiträge aus Eastsplaining Substack, der Autor dieser Texte ist mit der Übersetzung und Veröffentlichung einverstanden. Quelle (englisch): https://eastsplaining.substack.com/p/racism-in-russia

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Rassismus in Russland

Sie hassen ihre "Schwarzen" mehr als sie Ukrainer hassen

Wie du vielleicht bemerkt hast, lese ich viele russische Quellen, denn selbst wenn ich deren Standpunkt ablehne, möchte ich ihn verstehen. Das ist wohl das genaue Gegenteil von dem, was Noam Chomsky tut.

Es gibt ein Thema, das von russischen Bloggern sehr lebhaft diskutiert wird und im Westen kaum Beachtung findet. Bevor ich es näher beschreibe, eine kurze Einführung und etwas Kontext.

Russland wird manchmal als ein Land ohne Sklaverei und ohne Rassismus wahrgenommen. Für diesen Irrtum gibt es zwei Gründe.

Erstens: Rassismus wird im Westen weithin als etwas angesehen, für das man sich schämen muss. Selbst der Typ mit der Flagge der Konföderierten auf seinem Autoaufkleber wird etwas sagen wie "Rassist? ICH? Wie kannst du es wagen, mir Rassismus vorzuwerfen?".

Gleichzeitig wird der russische Rassist das einfach so hinnehmen. "Natürlich bin ich rassistisch, und du solltest es auch sein".

Takier Karlsonow demonstriert seine unfassbare Unfähigkeit, sich selbst im Spiegel zu betrachten - aus Fox News

Zweitens: Russland hatte nie Kolonien in Afrika, so dass die afro-russische Minderheit zahlenmäßig gering ist. Dennoch gibt es sie, und deren Verfolgung ist erstaunlich ähnlich. In der Sowjetunion gab es Lynchmorde mit dem typischen KKK-Szenario: Die örtlichen Schläger wollten nicht, dass afrikanische Studenten mit weißen Mädchen ausgehen, also mussten sie ihm "eine Lektion erteilen".

Sklaverei hat es in Russland jedoch schon immer gegeben, und sie existiert bis heute, obwohl sie auf der rassistischen Ausbeutung anderer Ethnien beruhte (und noch immer beruht). Russland hat nicht massenhaft Sklaven aus Afrika importiert, nur weil es sie aus Asien holt. Das tut es immer noch.

Noch heute sind es die Sklaven, die Befestigungsanlagen errichten, um die ukrainische Gegenoffensive zu stoppen. Die Sklaven sind meist tadschikischer Abstammung, und sobald sie in die von Russland besetzten Gebieten ausgeliefert werden, gibt es für sie kein Entrinnen mehr.

Die "Annexionen" vom September fanden nur auf dem Papier statt. Sie können die russisch-ukrainische Grenze im Donbas oder auf der Krim nicht ohne Passkontrolle passieren.

Wenn dein Arbeitgeber dir den Pass abgenommen hat oder du gar keinen Pass hast, weil du ein "Illegaler" bist, dann bist du der Gnade deines Arbeitgebers ausgeliefert. In der Gesetzlosigkeit der "neuen Gebiete" kann er dich buchstäblich umbringen und ungeschoren davonkommen.

"Azamat, Migrant aus Kirgistan" bittet um Hilfe - er wurde von seinem Arbeitgeber nach Luhansk zwangsumgesiedelt. "Die Gesetze der Russischen Föderation funktionieren dort nicht", heißt es in der Überschrift (es ist ein Zitat aus dem Videointerview mit Azamat). Aus Radio Ozodi.

Nach dem, was ich in den russischen Blogs sehe, ist die tadschikische Minderheit die am meisten gehasste. Schon lange vor diesem Krieg bildeten russische Neonazi-Skinheads Selbstjustizbanden, um "die Tadschiken in Schach zu halten" (so wie es jeder Ku-Klux-Klan-Mitglied ausgedrückt hätte).

Auch wenn Tadschiken keine Afrikaner sind (sie sind persischer Herkunft), ist die Sprache des russischen Rassismus der der westlichen Rechtsextremen erstaunlich ähnlich. Sie bezeichnen ihre Minderheiten sogar als "schwarz" - oder, genauer gesagt, als "schwarzärschig" ("chernozhopy").

Kürzlich kam es in Tscheljabinsk zu Zusammenstößen zwischen russischen Skinheads und tadschikischen Selbstverteidigungs-Jugendbanden. Das örtliche Gericht entschied, dass die Schuld allein bei den Russen liege.

Ein Westler könnte dies als einen Punkt des Stolzes für Russland interpretieren: "Es gibt noch Richter in Tscheljabinsk!". Aber die russischen Blogger, denen ich folge, wie z. B. ein gewisser Andrej Medwedew, deuten dies als "Leute, wir verlieren die Kontrolle über Tscheljabinsk!".

Andrej Medwedew verteidigt die "Skinheads" von Tscheljabinsk. Kannst du dieses Wort auf Kyrillisch lesen? Es heißt eigentlich "skinhedow". Klingt wie ein falscher russischer Name, ist aber Akkusativ Plural. Aufgrund der Deklination kann man in den slawischen Sprachen ein "Skinhead" sein, aber wenn man ihn verhaftet, verhaftet man "skinheada", wenn es mehr von ihnen gibt, verhaftet man "skinheadow", man erhebt Anklage gegen Dativ "skinheadowi" (oder Plural: "skinheadom").

Wenn man russische Blogger liest, könnte man meinen, sie hätten mehr Angst vor Tadschiken als vor Ukrainern. Der Krieg hat auf paradoxe Weise dazu beigetragen.

Die Mobilisierung verursachte einen massiven Mangel an Arbeitskräften in der Wirtschaft. Arbeitsfähige Männer starben entweder im Krieg oder flohen aus dem Land.

Dies zwang Russland, das Verfahren zur Erlangung russischer Pässe zu vereinfachen. Doch wer profitierte am meisten davon? Tadschikische Illegale!

Die drei wichtigsten Herkunftsländer für neue russische Staatsbürgerschaften sind Tadschikistan, die Ukraine und Armenien - behauptet Milbloger Michman Ptichkin

"Michman Ptichkin", ein weiterer Milblogger, verkündet die alarmierende Nachricht: "70 Prozent der neuen Staatsbürgerschaften im ersten Quartal 2023 gingen an Nicht-Slawen!".

Zur Erleichterung der russischen Blogger gingen die Bundesbehörden auf einem Marktplatz in Tscheljabinsk gegen tadschikische Händler vor und verhafteten viele von ihnen. Nochmals: Es wird nicht einmal angedeutet, dass diese Händler sich etwas anderes zuschulden kommen ließen, als nur Tadschiken zu sein.

Für die russischen Blogger ist das Grund genug, sich zu freuen. "Endlich zeigen wir ihnen, wo sie hingehören!".

Razzien gegen Tadschiken in Tscheljabinsk - aus TG-Kanal von Andrei Medwedew

Obwohl der Krieg diesen Hass zu verstärken scheint, hat er schon vor langer Zeit begonnen. Wie das gesamte Phänomen des russischen Rassismus und Nationalsozialismus lässt es sich bis in die Sowjetzeit zurückverfolgen.

Eine der wichtigsten Heldenfiguren der heutigen russischen Nazis ist Maxim Martsinkewitsch. Er begann in den späten 1990er Jahren Tadschiken anzugreifen.

Verurteilt wegen Mordes aus Hass, starb er 2020 im Gefängnis von Tscheljabinsk. Seine Beerdigung war eine Massenkundgebung der russischen extremen Rechten.

Vor diesem Hintergrund möchte ich nun auf eine bestimmte Telegram-Meldung eingehen, die du meine Ansicht nach kennen solltest. Sie erschien auf einem relativ unbedeutenden Kanal namens "Golos Velikorusa" ("Die Stimme eines russischen Imperialisten"), wurde aber von bekannteren Personen weiterverbreitet.

Ich werde meine gekürzte Zusammenfassung präsentieren (mit wichtigen Screenshots, falls du dein Russisch auffrischen wolltest):

Man muss bedenken, dass unsere Einwanderer anders sind als die in Europa. Die Migranten in Europa gehen dorthin, um Sozialhilfe zu erlangen, und ihre optimale Strategie besteht darin, ruhiger als Wasser, tiefer als Gras zu sein und für das bessere Leben ihrer Kinder dankbar zu sein. Wenn sie sich unordentlich benehmen, dann nur aus Hooligan-Motiven.

Unsere Einwanderer sind anders. Sie kommen nicht wegen der Sozialhilfe hierher, die gibt es nicht. Sie kommen, um zu arbeiten, aber so einfach ist das nicht. Es ist fast unmöglich, auf der Straße Arbeit zu finden.

"Gewalt ist ihre Norm", sagt Golos Velikorusa

Infolgedessen ist jeder Migrant in Russland stark von seiner Diaspora abhängig. Clan-Solidarität in Verbindung mit ethnischer Gewalt ist die einzige Möglichkeit, hier zu überleben. Für sie ist es normal, diese Methoden bei ihren Geschäften anzuwenden. Migrantengewalt ist systemisch, aber wir sehen nur die Spitze des Eisbergs.

Wie geht es weiter? Wir werden von ehemaligen Komsomolzen ("postsowjetische Liberale mit blutendem Herzen") regiert, die immer noch an den Internationalismus glauben. Sie waren zu weich gegenüber der Ukraine, sie glaubten an die Minsker Vereinbarungen und weigern sich bis heute, ihre Naivität einzugestehen.

"Wir werden von ehemaligen Komsomolzen regiert", beklagt Golos Velikorusa

Die Migranten sind die einzige organisierte Struktur, die in der Lage ist, die russischen Städte ernsthaft zu destabilisieren. Alles, was der Westen jetzt braucht, sind Menschen, die ihre Sprache sprechen. Wenn sich die Migrantenunruhen ausbreiten, werden wir überschwemmt werden. Und die ehemaligen Komsomolzen werden sich im Fernsehen hilflos fragen, was passiert ist".

Ich möchte noch einmal betonen, dass ich NICHT die "Stimme von Velikorus" wiedergebe, weil ich seine Ideologie unterstütze. Ich denke nur, dass dies der Teil der russischen Realität ist, der den meisten Menschen im Westen nicht bewusst ist.

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