Polen, so nah und doch so fremd. Zwischen Polen und Deutschland, manchmal auch in der DDR.

Gastbeitrag aus dem Eastsplaining Substack (23) – Lasst die Ukraine mit voller Kraft kämpfen

Es ist meine Übersetzung der Beiträge aus Eastsplaining Substack, der Autor dieser Texte ist mit der Übersetzung und Veröffentlichung einverstanden. Quelle (englisch): https://eastsplaining.substack.com/p/let-ukraine-fight-with-full-capacity

------------------- Anfang des Gastbeitrages -------------------

Lasst die Ukraine mit voller Kraft kämpfen

Du kannst diese Leute - sie sagen, dass die Ukraine nicht tun darf, was Russland tut. Russland darf Schiffe angreifen, die ukrainische Häfen anlaufen, aber die Ukraine darf keine russischen Schiffe attackieren. Die Ukraine darf Moskau nicht bombardieren, während Russland Kiew bombardieren darf. Die Ukraine darf keine Streumunition und kein abgereichertes Uran einsetzen, Russland aber schon. Russland darf Journalisten inhaftieren, aber die Ukraine wagt es nicht einmal, auch nur einen offensichtlichen russischen Agenten zu verhaften. Wenn Russland den Donbas bombardiert, ist das eine humanitäre Militäroperation, aber wenn die Ukraine den Donbas bombardiert, ist das Völkermord - und so weiter, und so weiter.

Alter, glaubst du nicht, dass Russland dies bereits tun würde, wenn es die Möglichkeit dazu hätte? (zufällige Twitter-Reaktion auf die Durchsetzung der Schwarzmeerblockade durch die Ukraine)

Manchmal gibt es überhaupt keine Rechtfertigung. Man merkt, dass der Autor Russland einfach so sehr liebt, dass Russland in seinen Augen immer Recht hat. Dagegen kann man nicht argumentieren.

Manchmal gibt es aber auch eine Rechtfertigung. "Man kann einen Bären nicht stupsen! Man kann nicht gegen eine nukleare Supermacht kämpfen! Die Ukraine sollte sich ergeben, um den Dritten Weltkrieg zu verhindern! Man darf den Konflikt nicht eskalieren!". Einige Leute mit dieser Einstellung sind sogar hier im Kommentarbereich erschienen.

Aber was, wenn es doch keinen Bären gibt? (zufällige Twitter-Reaktion auf den Bombenanschlag in Moskau)

Ich glaube nicht an eine nukleare Bedrohung in der Ukraine. Ich habe meine Argumentation bereits ausführlich dargelegt - aber das war wieder im Kommentarbereich, also werde ich sie hier noch einmal zusammenfassen.

Zuallererst: Putin muss es seinen kleptokratischen Oligarchen recht machen, sonst werden sie sich auf die Seite des nächsten Prigoschin stellen. Sie wollen keinen Dritten Weltkrieg, auch nicht mit dem unmöglichen Ergebnis eines russischen Sieges, denn für jeden Russen ist es das größte Privileg, westliche Verwöhnung zu genießen. Die Oligarchen (und vor allem ihre Liebhaber und Kinder) wollen westliche Autos fahren, westliche Zigaretten rauchen, westliche Smartphones benutzen, westliche Kleidung tragen und in westlichen Urlaubsorten Urlaub machen.

Denken Sie daran: Nicht einmal der größte russische Patriot würde einen Lada einem Toyota oder die Krim einem Disneyland vorziehen. Sie sind buchstäblich die Letzten, die Paris brennen sehen wollen (auch wenn man die Franzosen selbst mitzählt).

Offenbar wurden die Entscheidungszentren in Kiew im vergangenen Juli "sofort" zerstört. Zumindest wenn man der russischen Propaganda glaubt. (zufällige Twitter-Reaktion auf den Angriff auf die Chonhar-Brücke)

Angesichts des Scheiterns seines Plans A (schnelle Übernahme von Kiew), seines Plans B (erzwungene Vasallisierung durch einen "Friedensvertrag"), seines Plans C (Übernahme des Donbass durch die Wagner-Truppen) usw. muss sich Putin an den Plan Z halten. Es ist ein langwieriger Konflikt ohne Aussicht auf einen russischen Sieg, aber auch ohne eine entscheidende russische Niederlage.

Plan Z ist nicht perfekt, aber er bietet den russischen Oligarchen viele Möglichkeiten, davon zu profitieren. Irgendjemand muss die Sanktionen umgehen und Mikrochips schmuggeln. Jemand steckt die reichlichen Mittel für den Wiederaufbau der russischen Rüstungsindustrie ein (wahrscheinlich dieselbe Person, die die sowjetischen Fabriken "privatisiert" hat, um sie als Schrott zu verkaufen). Jemand kennt den genauen Zeitplan für die nächsten Phasen des Rubelverfalls - und diese Information ist auf dem Devisenmarkt unbezahlbar. Solange Putin also keine Dummheit begeht, die den Krieg vorzeitig beenden würde, sind er und seine Oligarchen eine große, glückliche kleptokratische Familie.

Deshalb habe ich keine Angst davor, "den Bären zu stoßen" oder "den Konflikt zu eskalieren". Wie kann er denn eskalieren? Russland kann nicht noch einmal in die Ukraine einmarschieren oder die ukrainischen Städte intensiver bombardieren, als sie es ohnehin schon tun (sie laufen auf Hochtouren). Solange die Reste der russischen Armee in diesem Sumpf feststecken, können sie auch nicht in andere Länder einmarschieren. Was gibt es also zu befürchten?

Zu meiner Überraschung fallen einige Leute immer noch auf die betrunkenen Tiraden von Dmitri Medwedew herein, der immer wieder "Armageddons", "Tage des Jüngsten Gerichts", "Angriffe auf Entscheidungszentren", "totale Zerstörung der ukrainischen Infrastruktur" und was nicht alles verspricht, wenn die Ukraine oder der Westen irgendwelche imaginären "roten Linien überschreitet". Ich kann buchstäblich nicht begreifen, wie es möglich ist, nicht zu erkennen, dass diese Drohungen leer sind - schon allein wegen ihrer schieren Wiederholung.

Ich habe nicht gezählt, wie oft Medwedew dem Westen in diesem Konflikt mit Atomwaffen gedroht hat, aber ich glaube, ich habe den ersten Fall gefunden. Es war der dritte Tag des Krieges - der 26. Februar 2022 (unten: ein Ausschnitt aus Al Jazeera).

Bildnachweis: [Yekaterina Shtukina/Sputnik via AP], Auszug aus Al Jazeera, 26.2.2022

Der Westen sollte vernichtet werden, wenn er die Ukraine mit tödlichen Waffen beliefert. Dann sollte die Ukraine vernichtet werden, wenn sie russisches Gebiet angreift. Vor allem, wenn sie ein russisches Schiff versenkt. Oder wenn sie Moskau angreift. Vor allem, wenn sie den Kreml treffen.

All das haben sie getan. Und dann?

Im Juli 2023 drohte Medwedew dem Westen mit dem "Tag des Jüngsten Gerichts", wenn die Ukraine Storm Shadow-Raketen einsetzt, um Ziele auf der Krim zu treffen. Am nächsten Tag, als die Ukraine genau das tat, verbreiteten russische Militärblogger Fotos der Trümmer, um zu beweisen, dass die Rakete, die die Chonhar-Brücke traf, tatsächlich eine Storm Shadow war. Natürlich ist nichts passiert. Und doch wiederholt er immer wieder die gleichen abgenutzten Phrasen, und einige Menschen im Westen fallen immer noch auf diesen Mist herein.

Der lächerlichste Fall war wohl im September 2022, als Russland die "Annexion" von Gebieten ankündigte, die es nicht einmal vollständig kontrollierte. Das genügte den prorussischen Propagandisten, um zu phantasieren, dass die Ukraine nun schachmatt gesetzt sei - sie könne diese Gebiete (einschließlich Cherson) nicht zurückgewinnen, da sie nun Teil des russischen Territoriums und damit "unter Moskaus nuklearem Schirm" seien.

Ich kann immer noch nicht glauben, dass jemand das ernst genommen hat! Ein Auszug aus: Mark Trevelyan, "Russland sagt, beschlagnahmte ukrainische Gebiete stünden unter seinem nuklearen Schutz", Reuters, 18.10.2022

Die Ukraine ignorierte diesen Unsinn und befreite Cherson zwei Monate später. Die pro-russischen Propagandisten haben ihre eigenen "Prophezeiungen" schnell vergessen. Die Annexionen wurden vor fast einem Jahr angekündigt, aber in der Praxis ist nichts passiert - die Grenzkontrollpunkte sind noch da, wo sie früher waren, PKWs haben immer noch ukrainische Nummernschilder. Niemand spricht mehr von einem "nuklearen Schutzschirm über den annektierten Gebieten".

Das Komische daran ist, dass Putin diese "roten Linien" nie selbst zieht. Ich glaube nicht, dass er jemals diesen oder einen ähnlichen Ausdruck verwendet hat. Putins Äußerungen sind absichtlich vage, es liegt an seinen Handlangern und Propagandisten, sie in die menschliche Sprache zu übersetzen.

Ein seltener Moment der Klarheit in der Skabajewa-Show (via TheKremlinYap)

Wenn su die Sendungen von Skabajewa oder Solowjew siehst, weißt du, dass selbst die russischen Propagandisten es satt haben, von "roten Linien" und "Tagen der Entscheidung" zu sprechen. Wie oft kann man die gleichen leeren Drohungen noch wiederholen? Wenn die Ukraine nicht nur Moskau, sondern den Kreml selbst mit einer Drohne angreifen kann und nichts passiert, wo zieht man dann die nächste imaginäre "rote Linie", auf Putins Datscha?

Ich schätze, die letzte Gruppe von Menschen, die noch Angst davor haben, "den Bären zu stoßen", sind die pro-russischen Nicht-Russen. Sie scheinen zu glauben, dass Putin uns mit einer Wunderwaffe überraschen kann, die er in der Taiga versteckt hält.

Wenn einer von ihnen dies liest, dann - bitte, bitte, bitte: liefere uns eine plausible Erklärung, woraus diese Wunderwaffe besteht, wo sie versteckt ist, warum sie noch nicht eingesetzt wurde. Während wir warten, möchte ich Sie mit einem Witz aus der kommunistischen Zeit unterhalten, leicht paraphrasiert (die Originalversion ist vulgärer).

Was ist das: Es ist kein Wunder und kann nicht als Waffe verwendet werden? Russische Wunderwaffe.

Das Einzige, wovor ich Angst habe, ist, dass der Plan Z aufgeht und Putin es schafft, daraus ein längeres Patt zu machen. Das sollte um jeden Preis verhindert werden. Die Ukraine sollte so viele westliche Waffen erhalten, wie sie braucht, um Russland bis an die Grenze von 1991 zurückzudrängen, und zwar ohne jegliche Auflagen wie "keine Langstreckenraketen gegen das russische Festland einsetzen". Wir können von der Ukraine nicht erwarten, dass sie mit einem gefesselten Arm kämpft.

------------------- Ende des Gastbeitrages ---------

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Betreff: , ,

Kategorien:Ostklärung

Kommentare verfolgen: RSS 2.0

Trackback: trackback

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------


Und was meinst Du?

Um zu kommentieren, musst Du dich registrieren und angemeldet sein. Dank und Grüße an die alle Spammer.