Polen, so nah und doch so fremd. Zwischen Polen und Deutschland, manchmal auch in der DDR.

Gastbeitrag aus dem Eastsplaining Substack (24) – Wie die Minsker Vereinbarungen schon von Anfang an tot waren.

Es ist meine Übersetzung der Beiträge aus Eastsplaining Substack, der Autor dieser Texte ist mit der Übersetzung und Veröffentlichung einverstanden. Quelle (englisch): https://eastsplaining.substack.com/p/how-the-minsk-agreements-died-on

------------------- Anfang des Gastbeitrages -------------------

Wie die Minsker Vereinbarungen schon von Anfang  an tot waren.

Mit Terroristen zu verhandeln ist nicht nur moralisch falsch, sondern auch aussichtslos

Was waren die Minsker Vereinbarungen eigentlich? Wenn man den pro-russischen westlichen Darstellungen Glauben schenkt, waren sie auf irgendwie mystische Weise BEIDES: ein guter Friedensvertrag, der einseitig von der Ukraine abgelehnt wurde, und gleichzeitig eine listige Täuschung des Westens, um die Ukraine aufzurüsten. Ich frage mich wirklich, wie sich Leute, die an BEIDE Versionen glauben, diese vorstellen.

Erstens: Es gibt keinen Grund, sich etwas vorzustellen. Die Minsker Vereinbarungen haben einen schönen Wikipedia-Eintrag. (cmos: Auf deutsch sogar zwei: Minsk I und Minsk II)

Natürlich darf man Wikipedia nicht trauen. Schließlich ist sie nichts anderes als ein Instrument der satanisch-freimaurerischen Verschwörung, die darauf abzielt, uns mit Insekten zu füttern, während sie uns mit Impfstoffen für eine im Labor hergestellte Krankheit vergiften.

Aber wenn man ihr nicht traut, kann man sich einen direkten Link zum Original ansehen. Hier ist er

aus Aaron Mate Twitter-Konto

Leute wie Aaron Mate (oben zitiert) sind zu faul, sich zu informieren. Und sie gehen richtigerweise davon aus, dass ihr Publikum auch zu faul ist, das zu überprüfen.

Ich betone noch einmal den Ausdruck "pro-russisch-westlich", weil man das in der tatsächlichen russischen Propaganda nicht finden wird. Die Propaganda im Stil von "Aaron Mate" funktioniert nur bei Menschen, die erst kürzlich von der Existenz der Ukraine erfahren haben.

Ich mache ihnen keinen Vorwurf. Bis vor kurzem wusste ich auch nichts von der Existenz der ECOWAS. Ich bin nicht stolz auf meine Unwissenheit, aber zumindest halte ich kein Referat darüber, wie afrikanische Länder ihre Grenzen nach meinem Geschmack neu ziehen sollten. Das allein macht mich zu einem besseren Menschen als Aaron Mate.

"Die kleinen grünen Männchen" besetzen das Parlamentsgebäude auf der Krim, 1.03.2014, Foto von Sergej Ponomarew, entnommen aus: "The little green men A look at the people behind the annexation of Crimea. Eine Fotoserie von Sergej Ponomarew", Meduza.io, 11.03.2015, Link unten

Um die Minsker Vereinbarungen zu verstehen, muss man sich zunächst daran erinnern, dass die Ukraine 2014 von russisch gesponserten Paramilitärs unter der Führung des in Moskau lebenden Igor Girkin überfallen wurde. Damals bestritt Russland vehement seine Beteiligung und behauptete, diese Paramilitärs kämen von einem unbekannten Ort, vielleicht sogar von einem anderen Planeten, daher auch ihr Spitzname - "Kleine grüne Männchen".

Heute wird dies von niemandem mehr in Russland bestritten. Girkin sitzt jetzt im Gefängnis, aber nicht wegen seiner Kriegsverbrechen - er ist mit seiner Kritik an Putin einfach zu weit gegangen.

Sein Telegram-Kanal wird jetzt von seiner Frau betrieben, die einige knappe Stimmen zur Verteidigung Girkins veröffentlicht. Der unten zitierte Beitrag ist eine herzerwärmende Geschichte über einen mutigen Anführer, der mit einer Gruppe von "52 Kriegern" den Lauf der Geschichte verändert hat.

"Er ist der Beweis …, dass eine Gruppe von 52 Kriegern ein neues Land gründen, den Lauf der Geschichte verändern und die Weltkarte neu zeichnen kann" - ein sehr poetisches Lob für Girkin von einem seiner Anhänger, das seinem Telegram-Account entnommen wurde

Lass mich das noch einmal wiederholen. Niemand in Russland bestreitet derzeit die Rolle, die Girkin bei den Invasionen auf der Krim und im Donbass im Jahr 2014 gespielt hat. Seine Freunde loben ihn dafür, wie viel er mit so wenigen Mitteln erreichen konnte, seine Feinde schelten ihn dafür, dass es ihm nicht gelungen ist, den gesamten Donbass einzunehmen.

Das Märchen von der "prorussischen Bevölkerung der Krim und des Donbass, die sich gegen die von der CIA eingesetzte Junta auflehnte", gibt es in der russischen Medienlandschaft nicht. Nur die Menschen im Westen, die über die Ukraine so ahnungslos sind wie ich über Afrika, fallen noch darauf herein.

Aber Russland hat noch 2014 alles geleugnet, was die Friedensverhandlungen zu einer Farce werden ließ. Russland präsentierte sich als neutrale, nicht kriegführende Partei, die sich genauso um den "Aufstand" im Nachbarland kümmerte wie alle anderen.

Die damaligen westlichen Staats- und Regierungschefs (insbesondere Francois Hollande und Angela Merkel) gaben vor, dies zu glauben. Es war der Höhepunkt der "Ärgere den Bären nicht"-Phase.

Die von Russland ernannten "Führer" der "separatistischen Republiken" erklärten, dass sie sich nicht für Friedensverhandlungen interessierten, da sie nicht eingeladen wurden. Doch nicht einmal Russland war bereit, sie anzuerkennen (es tat dies erst am Vorabend der Invasion von 2022), so dass eine Einladung an den Verhandlungstisch ein seit langem bestehendes Tabu brechen würde, mit "Terroristen" zu verhandeln.

Eduard Basurin, Sprecher der Volksrepublik Donezk, lehnt Minsk 1 ab - entnommen aus "Ukraine erleidet erhebliche Verluste", Agentur TASS, 23.01.2015

Genau das waren sie, sowohl in rechtlicher als auch in praktischer Hinsicht. Sie ergriffen die Macht im Donbas und auf der Krim, indem sie Menschen entführten und töteten. Sie hielten sogar die OSZE-Beobachter als Geiseln.

Die Minsker Verhandlungen waren zum Scheitern verurteilt. Die erste Runde (Minsk I) wurde von den "Separatisten" ignoriert.

Sinn und Zweck der Verhandlungen war es, einen Waffenstillstand zu vermitteln. Die Separatisten nutzten dies als Vorwand für eine weitere Offensive. Daher Minsk II - wo sie ohne diplomatische Anerkennung eingeladen wurden.

Mit Terroristen zu verhandeln ist nicht nur moralisch falsch, es ist eine Übung in Vergeblichkeit. Wenn sie sich nicht scheuen, unschuldige Menschen zu töten, wie kann man dann erwarten, dass sie sich vor Lügen scheuen?

Es sollte niemanden überraschen (außer natürlich Merkel und Hollande), dass die Separatisten den Waffenstillstand fast unmittelbar nach der Unterzeichnung der Vereinbarungen ignoriert haben. Somit war Minsk II genau wie sein Vorgänger schon von Anfang an tot.

Ein Nachruf auf den Waffenstillstand - entnommen aus "Ukraine Truce Hangs by Thread as Rebels Claim Key Rail Hub" von David Stout, Time Magazine

Ich frage mich, wie Aaron Mate sich die "Einhaltung von Minsk" durch die Ukraine vorstellt. Wie kann man einen Waffenstillstand einseitig einhalten? Geschossen werden, ohne zurückzuschießen? Ich schätze, das ist es, was er will, denn in den nächsten 8 Jahren wurde das Zurückschießen im Gegenfeuer von diesen Typen als "Donbass-Völkermord" dargestellt.

Da der Hauptpunkt von Minsk I und Minsk II - der Waffenstillstand - von den "Separatisten" einseitig abgelehnt wurde, ist es wenig relevant, was sonst noch in den Abkommen stand. Ja, es stimmt, dass sie Zugeständnisse enthielten, die den Donbass-Provinzen eine größere Autonomie einräumten, allerdings unter der Bedingung, dass Recht und Ordnung in dem Gebiet wiederhergestellt werden.

In der Praxis bedeutete dies die Rückgabe der Grenzkontrollen an den ukrainischen Grenzschutz (aus unerfindlichen Gründen begannen die "Separatisten", die aus einem unbekannten Land kamen, mit der Eroberung der russisch-ukrainischen Grenzkontrollpunkte), die Erlaubnis für OSZE-Inspektoren, die Umsetzung der Vereinbarung zu überwachen, die Durchführung vorgezogener Wahlen nach ukrainischem Recht unter internationaler Überwachung und den Rückzug der "kleinen grünen Männchen" auf ihren geheimnisvollen Herkunftsplaneten.

Da die Separatisten nicht einmal vorgaben, dass sie beabsichtigten, irgendetwas davon umzusetzen, ist es schwer vorstellbar, was die Ukraine hätte tun können, um ihren Teil der Vereinbarungen einseitig umzusetzen.

Was war also der Sinn der Sache? War es das wert?

Die von Girkin angeführte Invasion war eine humanitäre Katastrophe. Die Frontlinie verlief durch viele Siedlungen, in denen Tausende von Menschen ohne Nahrung, Wasser, Heizung oder Strom festsaßen. Selbst ein unvollkommener Waffenstillstand war eine Chance, einige Leben zu retten.

Auf internationaler Ebene war die größte Befürchtung damals, dass Putin die Scharade der "kleinen grünen Männchen" aufgeben und zu einer groß angelegten Invasion übergehen würde. Die Ukraine war dazu nicht bereit, und der Westen auch nicht.

Aber war Putin bereit? Wie bei alternativen Geschichten werden wir nie erfahren, "was wäre wenn".

Mit seinem Einmarsch in die Ukraine verletzte er eine Menge internationaler Verträge. Nicht nur gegen das zahnlose "Budapester Memorandum", sondern auch gegen die UN-Charta, den OSZE-Vertrag und so weiter. 8 Jahre lang haben die führenden Politiker des Westens die Augen davor verschlossen und so getan, als kämen die "kleinen grünen Männchen" aus dem Weltall.

Entnommen aus: "Angela Merkel äußert sich zur Ukraine, Putin und ihrem Erbe" von Alistair Walsh, Rina Goldenberg; "Deutsche Welle, 06.07.2022

Angela Merkel sagt heute, dass diese 8 Jahre der Ukraine geholfen haben, sich zu bewaffnen. Nun, nicht dank ihr, das ist sicher. Deutschland hatte immer Angst, "den Bären zu verärgern", es hat sich geweigert, der Ukraine zu helfen, selbst nach der Invasion in vollem Umfang, und selbst heute weigert es sich, Langstreckenwaffen zu liefern.

Ich schätze, sie müssen einen sehr eigenartigen Fall von "Bärenfetisch" haben.

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Kategorie:Ostklärung

Kommentar

Von zwei solchen, die den Mond stahlen

Ich habe zwar einige noch nicht publizierte Beiträge, aber dieser, der jetzt kommen sollte war noch nicht fertig. Und die Reihenfolge ist wichtig. Ich weiß zwar nicht so genau wohin ich gehe, plane aber einige Schritte im Voraus. Leider habe ich momentan viel zu  tun und wenig Zeit für bloggen. Aber ich schaffte endlich diesen Beitrag.

Der Titel des heutigen Beitrages ist sicher etwas rätselhaft, wird aber später klar. Es geht, wie in letzter Folge angekündigt, um die Brüder Kaczyński und ihre Partei. Das Thema ist für das Verständnis von heutigem Polen sehr wichtig.

Die Kaczyński Brüder sind Zwillinge und wurden 1949 geboren. Das Verhältnis ihren Eltern zu Kommunismus ist unklar. Ihr Vater gehörte zwar während des Krieges der rechten und sowjetfeindlichen Widerstandsorganisation  Polnische Heimatarmee an, entgegen gängiger Praxis wurde er aber nach dem Krieg nicht deswegen benachteiligt. Im Gegenteil - die Kaczynskis bekamen einige Privilegien, sie konnten zum Beispiel eine schöne Villa in einem guten Stadtteil Warschaus günstig erwerben. Ein Indiz, dass er mehr als nur ein Mitläufer der stalinistischer Regierung sein musste.

Als die beiden Jungs dreizehn waren, wurden sie zu Schauspieler. Sie bekamen die Titelrollen in einem Kinderfilm. Es war eine Verfilmung eines Kinderbuches von Kornel Makuszyński mit dem Titel, der sich wörtlich als "Über zwei solche, die den Mond stahlen" übersetzen lässt. Der Film war auch in der DDR unter dem Titel "Die zwei Monddiebe" bekannt.

Die Handlung des Buches (und des Filmes) passt ziemlich gut zu den Beiden. Die Helden sind eben Zwillinge, sie sind faul, grausam, kennen keine Regel, kein Respekt und missachten Alle um ihre Ziele zu erreichen. Sie bedienen sich dabei ihrer Ähnlichkeit, gewinnen zum Beispiel einen langen Wettlauf indem ein von den Brüder an den Start geht und später verschwindet, und der andere nur den Finish läuft und als erster schafft. Ihr größter Coup ist eben den goldenen Mond, während der voll ist, zu stehlen. Sie wollen ihn verkaufen, um bis zum Ende ihres Lebens nicht arbeiten zu müssen. Hier ein Dialog aus dem Film, der nachträglich prophetisch erscheint (Übersetzung von mir, ich weiß nicht wie es in der DDR-Synchronisation war):

  • Bruder 1: Dann werden wir nie mehr arbeiten müssen!
  • Bruder 2: Wir arbeiten schon jetzt gar nicht!
  • Bruder 1: Aber dann erst recht!

Der Mond wird aber im Netz immer kleiner und verschwindet dann ganz. Jemand der die Kaczyńskis zu diesem Film engagierte, musste ein Prophet sein. Im Buch und Film lernen die beiden Helden dann, dass Habgier und Faulheit einem nicht wirklich weiterhelfen und die ehrliche Arbeit  besser ist. Polen wäre jetzt ein viel besseres Land, wenn die kleinen Schauspieler es auch gelernt hätten.

Das Buch wurde übrigens noch mal in den Achtzigern als ein Zeichentrickfilm verfilmt (polnische Trickfilme sind auch weltberühmt, dazu aber bei einer anderen Gelegenheit) etwas im Stil von Yellow Submarine. Die Musik dazu schrieben die polnischen Nachahmer der Gruppe Police - die Gruppe namens Lady Pank.

Aber zurück zu unseren heutigen Helden. Die beiden Brüder studierten dann Jura und machten seine Dissertationen. Ihre Wege trennten sich aber etwas. Der eine Lech Kaczyński, zog nach Danzig, heiratete, bekam eine Tochter und wurde zum Professor in Jura. Der andere, Jarosław Kaczyński, blieb bei seiner Mutter und arbeitete an einer Hochschule als wissenschaftlicher Mitarbeiter und später an der Universitätsbibliothek. Ende Siebziger wirkten die beiden bei der antikommunistischen Opposition mit. 1981, während des Ausnahmezustands wurde nur der Lech inhaftiert. Der Jarosław versucht es immer wieder herunterzuspielen, es wäre ein Fehler des Sicherheitsdienstes, aber entweder war er so unbedeutend, oder hat eine Loyalitätserklärung unterschrieben. Beide Möglichkeiten sind kompromittierend, die zweite Variante scheint wahrscheinlicher. Die Erklärung wurde sogar in den Akten des Sicherheitsdienstes gefunden, wurde aber von Kaczyński als gefälscht abgelehnt. Dabei hält er alle anderen Unterlagen der kommunistischen Sicherheit für echt und glaubhaft.

Es gibt Berichte aus ihrer Zeit bei der antikommunistischen Opposition, die beiden wären schon damals sehr zickig und nachtragend und fühlten sich ständig von vermeintlichem Auslachen wegen ihren Namen (der von dem Wort kaczka - Ente abgeleitet ist) beleidigt.

1989 wurden die Beiden Parlamentariern und Berater von zukünftigen Präsidenten Lech Wałęsa. Es endete mit einem großen Streit und der Wałęsa hat die beiden herausgeschmissen. Dann gründeten die Brüder eine Partei mit, die konservativ orientiert war. Die rechte Seite der politischen Bühne in Polen ist sehr zerstritten, den Mikado-Stab lasse ich aber momentan in Ruhe. Um die Sache kurz zu halten: Nach mehreren abenteuerlichen Umgestaltungen der Parteiszene wurde der Jarosław Kaczyński 2001 zum Leader eigener Partei mit dem Namen Recht und Gerechtigkeit. Ich werde weiter die polnische Abkürzung PiS verwenden.

Die neue Partei wollte die rechte Seite der politischen Szene für sich in Anspruch nehmen. So standen im Programm Konservatismus, Katholizismus, Nationalismus und harter Kampf gegen Kriminalität. Insbesondere ging es um die Wirtschaftskriminalität und Korruption. Wirtschaftlich war das Programm mehr wage, und weniger "rechts" - die bestpassende Bezeichnung wäre "populistisch". Vor allem war dort von einer Verschwörung der ehemaligen Sicherheitsdienstmitarbeiter die Rede, die die Wirtschaft in seiner Hand hätte und bekämpft werden müsse.

Von dem Stil her, war (und ist) es eine typische Führerpartei. Alle spielen für den Führer, jede Selbstständigkeit wird bestraft. Bis zum Rausschmiss.

In Parlamentswahlen 2001 wurde PiS mit 9,5% die viertstärkste Partei. 2005 ging es der Partei besser - mit  26,99% war sie die Stärkste. Üblich ist, dass der Leader der Partei dann zum Ministerpräsidenten wird, der Jarosław hat aber den Kazimierz Marcinkiewicz regieren lassen. Der neue Ministerpräsident war aber nicht eigenständig - er war nichts mehr als eine Marionette des Parteiführers. Der Jarosław Kaczyński hatte seinen Grund - sein Bruder kandidierte in der Präsidentschaftswahl (in Polen eine Direktwahl), er fürchtete, dass so eine Doppelspitze von Wählern nicht akzeptiert wird. Und der Lech hat die Präsidentschaftswahl in der Stichwahl gewonnen.

2006 zerbrach die dünne Koalition und eine neue Regierung musste her. Jetzt war der Jarosław Kaczyński bereit, diesen Posten zu übernehmen. In seiner Exposee sagte er ein seinen berühmten Sätze:

Jarosław Kaczyński(...) und kein Weinen und kein Geschrei kann uns überzeugen, dass Schwarz schwarz ist und Weiß - weiß!

Klar, es war ein Irrtum, er wollte es umgekehrt sagen, es ist aber eine präzise Beschreibung der Einstellung von PiS. Alles wird verdreht, wie es gerade passt, Protest und Diskussion sind zwecklos.

So wurde der goldene Mond gestohlen,  er lag im Netz und glänzte. Was machten die beiden mit ihm?

  • Alle möglichen Posten und Gremien wurden mit PiS-treuen Leuten besetzt. Die PiS-treuen waren zwar PiS-treu, aber oft inkompetent.
  • Die beste Sicherung gegen Korruption wäre nach den Brüdern möglichst keine Ausschreibungen zu organisieren. So lagen die meisten Infrastrukturprojekte brach.
  • Gegen alle politischen Gegner wurden alle Mittel (auch die nicht rechtmäßigen) eingesetzt, um sie zu kompromittieren. Provokation, Abhorchen, falsche Anschuldigungen usw.
  • Die Koalitionsparteien von PiS wurden geschickt und gezielt geschlachtet und übernommen.
  • Der Höchststeuersatz wurde gesenkt, Staatsausgaben gleichzeitig erhöht.
  • Von vielen Berufsgruppen wurde eine Erklärung über Zusammenarbeit mit dem kommunistischen Sicherheitsdienst verlangt. Alle diese Erklärungen sollten von einer Behörde mit den Akten verglichen werden. Im Gegensatz zu deutscher Gauck-Behörde ist die polnische gar nicht parteiunabhängig, sondern ganz in Händen von PiS.
  • In der Außenpolitik wurden die Beiden vor allem von ihrem Mangel an Selbstbewusstsein getrieben. So sagten sie Paar mal Teilnahme an offiziellen, internationalen Treffen wegen "gastrischen Beschwerden" ab. Auf gut Deutsch gesagt, sie hatten wortwörtlich Schiss. Sie könnten auch gar nicht verhandeln (und ihre Beamten auch) - die Einstellung war, es sei unterhalb ihrer Würde zu verhandeln, und mit Deutschen und Russen wird nicht verhandelt, weil sie uns so viel in der Geschichte angetan haben. Deswegen sollen sie uns sofort alles geben, was wir verlangen.

Kein Wunder, dass der Mond immer kleiner wurde. Die Wahlen in 2005 waren die einzigen, die PiS gewonnen hat. Seitdem ging es immer abwärts. (Heute nicht mehr, aber zur heutigen Stand schreibe ich irgendwann mal mehr).

Jarosław Kaczyński lebt mit seiner Mutter und einer Katze. Hat kein Bankkonto (Zitat: Dann könnte mir jemand Geld auf mein Konto überweisen, und es wäre Korruption), kein Führerschein, kennt keine Fremdsprachen... Seine Zähne sind nicht gepflegt und kaputt, seine Schuhe (auch bei vielen offiziellen Anlässen) abgenutzt und mit gerissenen Schnürsenkeln.

Jarosław Kaczyńskis Schuhe

Jarosław Kaczyńskis Schuhe Author: Jan Zdzarski/Agencja SE/East News

Einmal wurde eine PR-Aktion organisiert, der Jarosław wollte sich als nah der täglichen Sorgen der polnischen Familien stehend inszenieren. Er ging mit der Begleitung der ihm treuen Presse in einen Lebensmittelladen und dort konnte man genau sehen, dass er es noch nie im seinem Leben tat. Er legte zum Beispiel ein Brot in den Warenkorb ohne irgendeine Verpackung direkt auf nicht gewaschenen Kartoffeln.

Der Lech war dank seiner von ihm deutlich älterer Frau besser sozialisiert, aber auch kein richtiges Vorbild.

Wie man hier sieht, die Beiden sind (sorry, sind stimmt nicht ganz, der Lech ist schon Tod, nach manchen gefallen beim Smoleńsk) einfach Nieten, und ihre Partei zieht magnetisch andere Nieten an. Obwohl: eigentlich halten sich Polen für keine Nieten - sie hätten doch keine Angst, seien sehr erfolgreich (nur wenn nicht die Deutschen und die Russen...) und jeder wäre ein Adeliger.

Was? Es geht nicht, dass alle Adel angehören? Es geht doch, dazu mehr in nächster Folge.

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Kategorie:Polnisches Mikado

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Ein polnischer Pilot kann sogar ein Scheunentor fliegen

Viele der berühmten Piloten waren Polen. Zum Beispiel der Stanisław Skarżyński, der als erster den Südatlantik mit einer kleinen, einmotorigen Maschine (RWD-5bis) durchquert hat (dabei flog er im Abendanzug, um Gewicht der Ersatzkleidung zu sparen :lol:), bis heute schaffte keiner in einem kleineren Flugzeug diese Strecke. Oder der Franciszek Żwirko, der Challenge 1932 in Berlin mit RWD-6 gewann. Legendär sind die Verdienste polnischer Piloten in der Luftschlacht um England. So entstand der Spruch, dass ein polnischer Pilot so gut sei, dass er sogar ein Scheunentor fliegen kann. Später wurde es auch bestätigt, als die Polen die meisten (13 pro 20) Weltmeisterschaften im Präzisionsfliegen mit Abstand gewannen.

RWD-5bis, ZTS Plastyk, Skala: 1:72

RWD-5bis aus Skarżyński's Südatlantikflug (Modell)

Was hat es aber mit dem vorherigen Mikado-Stab zu tun? Fliegen (wie viele andere Tätigkeiten auch) ist heutzutage weniger die Sache des Könnens, mehr aber der Einhaltung der Vorschriften und Prozeduren. Und damit haben viele Polen Probleme. Und wir sind wieder beim können/dürfen.

Jeder Leser, der sich für das Geschehen in der Welt interessiert, kann sich sicher an diese Bilder erinnern. 10.04.2010, die polnische Regierungsmaschine liegt in Trümmern im Wald beim Smolensk. Schwer zu glauben, es war aber auch die Folge des können/dürfen Missverständnisses. Aber in der Reihe nach.

Katastrophe polnischer Regierungsmaschine in Smolensk

Katastrophe polnischer Regierungsmaschine in Smolensk Quelle: {a href="http://www.prsteam.net/"]PRSteam.net{/a] via Wikipedia

Es ist eine so blamierende Geschichte, dass es für mich peinlich ist, sie den ausländischen Lesern zu erzählen. Wieder berühren sich an diesem Punkt viele Mikado-Stäbe, ich versuche aber die Anderen möglichst wenig anzufassen, zu diesen komme ich später.

Es ging so: Der damalige Präsident Lech Kaczyński (Stab momentan in Ruhe lassen), wollte nach Katyń fliegen. In Katyń wurden 1941 tausende polnische Offiziere von Sowjeten ermordet, für die polnischen Patrioten, insbesondere die rechtsorientierten, ist es ein fast heiliger Ort (Stab vorläufig nicht berühren). Der nächste Flugplatz liegt beim Smolensk, ist aber seit mehreren Jahren stillgelegt. Übrigens: Es war ein Militärflughafen.

Ein paar Tage davor gab es ein offizielles Treffen von dem polnischen Ministerpräsidenten Tusk (Finger weg von dem Stab) und seinen russischen Pendant Putin in Katyń. Dafür wurde der Flugplatz entsprechend ausgestattet , auch mit ILS und jedem Schnickschnack, für den einen Tag wieder geöffnet, aber danach wurde alles demontiert.

2010 war ein Wahljahr, so wollten die Gebrüder Kaczyńscy (ich muss der Versuchung widerstehen, diesen Stab gleich mitzunehmen)  bei seinen Wähler mit diesem Besuch punkten. Weil sie dem Rechtskonservativen und patriotischen Lager angehören (und alle seine Mitstreiter und Beamten auch), ging alles in bester Tradition der polnischer Wirtschaft vor sich:

  • Der Besuch sollte so hochkarätig wie möglich besetzt werden. So saßen im Flugzeug mehrere Generäle, Parlamentarier (auch aus anderen Parteien), der letzte Exil-Präsident Kaczorowski und viele Angehörigen der Ermordeten. Ja, alle in einem Flugzeug.
  • Die Regierungsmaschine wird in Polen (wie in meisten anderen Länder auch) von Armeepiloten geflogen. Der Präsident ist gleichzeitig der oberste Befehlshaber, mit dabei war auch der General Błasik, der Befehlshaber der polnischen Luftstreitkräfte, direkt verantwortlich auch für die Einheit, die die Piloten bereitstellte. Er war auch ein Vertrauter der Kaczyński-Brüder und saß zusammen mit ihm gleich hinter dem Cockpit (diesen Stab nehme ich bald, noch in diesem Beitrag, mit).
  • Die Russen öffneten den Flugplatz für Paar Flüge an diesem Tag, die polnische Seite verzichtete auf einen russischen Lotsen an Bord. Wozu ein Russe an Bord? ILS am Flughafen wurde natürlich nicht installiert - so etwas wird nur für Putin gemacht. Macht nichts, ein polnischer Pilot kann sogar ein Scheunentor fliegen und braucht kein ILS.
  • Das Militär plante den Flug, Start wurde entsprechend früh festgelegt (6 Uhr) um eventuell in einem Ausweichflughafen landen zu können. Die Kanzlei des Präsidenten verschob den Start um eine Stunde nach hinten. Dann kam der Präsident noch eine halbe Stunde später - um 7 Uhr zu starten wäre doch unmenschlich. Macht nichts, alles wird doch gut gehen, oder?
  • Die Kanzlei bereitete keinen Plan B vor - alles wird gut gehen, oder?
  • Von der Crew hatte nur ein Mitglied alle notwendigen und aktuellen Zertifizierungen für den Flugzeugtyp und es war keiner der Piloten. Alle hatten zu wenige Schulungen gehabt, einiges davon war gefälscht. Übungen mit einem Flugsimulator gab es nicht, weil der im Russland steht. Und die Russen sind doch die Erzfeinde jeden polnischen Patrioten, bei denen zu üben wäre Schande und Verrat. Aber macht nichts, ein polnischer Pilot kann sogar ein Scheunentor fliegen.
  • Die Piloten bekamen keine Wettervorhersage für den Zielort vor dem Abflug. Wozu auch? Alles wird gut gehen, oder?
  • Dafür gibt es keine Beweise, nur starke Indizien, aber: Vor dem Flug meldete der General Błasik die Bereitschaft der Maschine dem Präsidenten, nicht der Flugkapitän (Arkadiusz Protasiuk), wie es üblich ist. Die beiden stritten wahrscheinlich vorher darüber. Aber der General wollte noch mehr bei dem Präsidenten punkten und hat sich durchgesetzt. Was ist Vorschrift gegenüber eigener Karriere?
  • Während des Fluges war die Tür zwischen Cockpit und Präsidentensalon ständig geöffnet. Die Piloten hatten also die zwei obersten Glieder der Befehlskette ständig am Kragen. Etwas Kontrolle hat noch keinem geschadet, oder? Und wenn jemand so gut ist, dass er sogar ein Scheunentor fliegen kann, braucht keine Angst zu haben, nicht wahr?
  • Nur der Kapitän konnte etwas Russisch und konnte sich mit russischer Flugführung verständigen (was normalerweise nicht zu seinen Aufgaben gehört). Russische Militärprozeduren kannte er nicht. Wozu aber - ein polnischer Pilot...
  • Während sie flogen, stieg im Smoleńsk dichter Nebel auf. Eine polnische Maschine mit Journalisten, die früher gestartet war, schaffte aber eine Landung. Gegen alle Vorschriften und Verbote aus dem Tower. Ein polnischer Pilot... Danach wollte noch ein russischer Transportflugzeug dort landen (auch gegen Vorschriften), gab es aber nach zwei Versuchen auf. Die Russen können eben nicht fliegen.
  • Inzwischen wurde der Präsident benachrichtigt, die Landung sei unmöglich. Er sollte entscheiden, was weiter gemacht wird. Es liegt eigentlich in der Verantwortung des Kapitäns, aber Vorschriften werden nicht für Große Staatsmänner geschrieben. Der Präsident rief also seinen Bruder an (wieder ein Stab, nicht jetzt!) Es gibt keine Aufnahme dieses Gesprächs (es sei denn, die Amerikaner haben mitgehört und mitgeschnitten), wahrscheinlich aber hat der Bruder die Landung in Smoleńsk gefordert. Der Präsident sagte nichts und der Kapitän hatte Angst (berechtigterweise, dazu später mehr) nicht zu landen. Na ja, eben ein polnischer Pilot...
  • Der Pilot dürfte nach seinem Zertifikat bei dieser Sicht nicht tiefer als 120m fliegen, von Tower bekam er Erlaubnis bis 100 m. Und was machte er? Nach falscher Prozedur ein Landeanflug anfangen. Ein polnischer Pilot, kann eben sogar ein Scheunentor fliegen.

Ist es jetzt klar, was es mit können/dürfen Unterschied zu tun hatte? Alle konnten etwas, keiner dachte, ob er es darf. Alle Vorschriften und Regeln waren nichts, man konnte alles. Und die Folge: 96 Tote.

Bierki-005

Und es war kein Einzelfall - das ganze hatte ein Vorspiel (eigentlich mindestens zwei). Die wichtige Frage ist, warum der Pilot nicht einfach wo anders landen wollte.

Und es war wieder eine können/dürfen Geschichte. Der Kapitän Protasiuk aus dem Flug nach Smoleńsk flog etwas mehr als ein Jahr zuvor (2008) mit dem Präsidenten als zweiter Pilot nach Georgien. Während des Fluges wollte der Kaczyński wo anders als geplant landen und der Kapitän weigerte sich die Flugroute zu ändern. Es wäre doch gegen Sicherheitsvorschriften, es war doch Kriegszone. Kaczyński wollte sich als Oberbefehlshaber der Streitkräfte durchsetzen, der Kapitän blieb aber unbeeindruckt.

Solches Verhalten lassen die Kaczyński Brüder nicht zu. Für sie gibt es kein darf man nicht. Der Flugkapitän wurde öffentlich als Feigling bezeichnet und hatte viele Probleme im Dienst. Ein Abgeordneter aus dem Kaczyńskis Lager verlangte offiziell nach seinem Entlassen. Protasiuk sah das alles genau und er hatte eine Frau und zwei Kinder zu versorgen. Brauche ich es weiter zu erklären?

Gehen wir noch weiter zurück: Januar 2008. 16 Kommandanten der polnischen Luftstreitkräfte und 4 Besatzungsmitglieder fliegen mit einer Militärmaschine der Marke CASA nach Hause. Alle nahmen an einer Konferenz teil, das Thema war - ironischerweise - Flugsicherheit bei der Luftstreitkräften. Beim Anflug an Militärflughafen in Mirosławiec, bei schlechten Sichtverhältnissen crashte die Maschine. Alle tot. Der gesamte Ablauf und die Ursachen der Katastrophe waren der Smolensk-Ereignisse ziemlich ähnlich. Schlechte Ausbildung der Piloten, Nichteinhalten der Vorschriften und Prozeduren usw.

Jetzt das bizarrste und traurigste: Oberbefehlshaber der Luftstreitkräfte war damals der General Błasik, nominiert von Präsident Lech Kaczyński und sein Vertrauter. Er müsste eigentlich die politische Verantwortung wahrnehmen und gehen, der Präsident stand aber fest hinter ihm. So blieb er auf seinem Posten. Er versprach die Zustände bei den Luftstreitkräften zu verbessern, alles blieb aber beim Alten. Und der Błasik würde danach natürlich alles für Kaczyńskis tun, egal ob man es darf, oder nicht. Manche Leute lernen nie etwas.

Im Smolensk-Unfall fand auch der Abgeordnete aus Kaczyńskis Lager tot, der offiziell im Parlament verlangte, den Georgien-Piloten wegen Feigheit zu entlassen. Manches darf man einfach nicht, manche begreifen es nie. Oder zu spät.

Aber warum ist es so? Oh! Das ist ein meiner Lieblingsstäbe! Den ziehe ich in nächster Folge heraus!

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Kategorie:Polnisches Mikado

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Ein Pole darf nicht – er kann

So ein umfangreiches Thema wie Polen anzugehen, erinnert mich an ein Geschicklichkeitspiel, das in Deutschland Mikado heißt. Es geht darum, aus einem Haufen von Stäben jede nacheinander herauszunehmen, ohne dabei die anderen zu berühren oder zu bewegen. In einem komplexen Thema sind alle Aspekte miteinander eng verknüpft, die einzelnen Teile muss man - wie beim Mikado - geschickt heraustrennen.

Die in Polen populäre Variante von Mikado heißt bierki (der Name kommt von brać - nehmen), die Stäbe sind aus Plastik und haben verschiedene Formen, die aus der Seefahrt entstammen - Speer, Paddel, Harpune, Bootshacken und Dreizack. Die einzelnen Formen werden verschieden gepunktet, die Spielidee ist aber genau die gleiche wie bei Mikado.

Die Idee, Polen über die Sprache zu erklären, war ganz gut. Ich habe langsam einen Plan, wie ich die Beiträge weiter schreiben soll. Ich werde die Mikado-Metapher verfolgen - die einzelnen Themen herauspicken, aber möglichst ein auf einmal. Heute der erste Stab: zwei Modalverben - können und dürfen. Ich hatte schon einen Beitrag über die deutschen Wörter können und dürfen für Polen, jetzt das Gleiche aber umgekehrt - über polnischem Verständnis von diesen zwei Verben für Deutsche.

Die Formen, die auf dem Titelbild meines Blogs und auf einigen anderen Bilder zu sehen sind, sind eben Bierki-Stäbe. Was vielleicht manche Leser gerade bemerkt haben: Ich habe mehrere Beiträge geschrieben bevor ich mit dem Blog offiziell gestartet habe. Deswegen heißt mein Blog schon vom Anfang an  "Polnisches Mikado" (ursprünglich wollte ich ihn "Polen, so nah und doch so fern..." nennen, was schließlich in den Untertitel gewandert ist) und hat auch Fotos mit bierki-Stäben, natürlich in Weiß und Rot - den polnischen Nationalfarben. Vielen Dank an agatanal, die mir die bierki geschickt hat, weil aber keine in Rot und Weiß zu finden waren, müsste ich die selber lackieren.

Na dann fange ich an: Für die Deutschen ist der Unterschied zwischen können und dürfen offensichtlich, ich brauche es gar nicht zu erklären. In Polen ist es aber anders. In Polen fragt keiner auf die Weise, die man wörtlich ins Deutsche als "Darf ich?" übersetzen würde. Diese Frage lautet immer "Kann ich?". Den Unterschied muss man einem Pole lange erklären und dieses Konzept ist für ihn schwer verständlich. Es gibt Sprichwörter wie "Wenn man will, kann (ein Deutsche würde hier darf sagen) man alles, nur langsam und vorsichtig". Für einen Polen, wenn er etwas kann, dann darf er es auch. Eventuell muss er dabei aufpassen, damit er dabei nicht erwischt wird.

Es gibt auch prominente Beispiele dieser Denkweise. Vielleicht dieser: Es gibt in Polen einen konservativen Politiker aus Krakau, der sogar mal ernsthaft als ein Kandidat für Ministerpräsidentenposten betrachtet wurde. Er ist etwas exzentrisch, trägt immer einen Hut, sein zweiter Vorname ist Maria (natürlich nach der Gottes Mutter). Seine Frau ist eine ebenso exzentrische Russland-Deutsche. Jan Maria Rokita heißt er (lustigerweise heißt in vielen polnischen Märchen ein der Teufeln eben Rokita). Quintessenz des polnischen Konservatismus. Vor Paar Jahren, als er schon nicht mehr in der Politik präsent war, flog er mit einem Lufthansa-Flieger aus München nach Krakau in Economy Class. Oder besser gesagt: Er wollte fliegen. Vor dem Start wollte er sein Mantel in einem Schrank im Business Class hängen lassen und sein Hut dort ablegen. Die Flugbegleiterin weigerte sich es ihm zu erlauben und er konnte es überhaupt nicht begreifen! Für ihn war es total unverständlich dass es ein Ding gibt, das er machen kann, aber nicht darf. Er stellte sich stur ("Wissen Sie wer ich bin?" - er war aber niemand mehr), und rief in Richtung der im Flugzeug sitzenden Polen: "Hilfe! Deutsche schlagen mich! Sie sind doch Polen, bitte helfen Sie mir!". Die gerufene Polizei holte ihn aus dem Flieger in Handschellen heraus, und er sollte ein sattes Bußgeld bezahlen. Er tat es nicht und bis heute steht in Deutschland ein Haftbefehl gegen ihn. Immer noch glaubt er, er würde wegen seiner Nationalität misshandelt. Es ist umso seltsamer, dass er Jura studierte, er müsste eigentlich etwas von Recht, Gesetz und Vorschrift verstehen!

(Wenn jemand etwas mehr darüber wissen möchte, HIER ein Link zum Artikel in deutscher Wikipedia. Der misst aber den wirklichen Streitpunkt.)

Das Positive daran: Immer mehr Polen verstehen den können/dürfen Unterschied. Der Politiker wurde in Polen allgemein ausgelacht und seine Schreie im Flugzeug (die jemand aufnahm) waren eine Weile lang ein beliebtes Handy-Klingelton. Keiner der Mitfliegenden hatte Verständnis für ihn.

Diese Geschichte war ziemlich lustig (etwas weniger wenn man bedenkt, dass so ein Mensch Ministerpräsident werden könnte), ich will aber keine Konkurrenz der Boulevard-Presse machen. Bei mir wollen wir den Sachen tiefer auf den Grund gehen. Also die Frage: Wie kommt das?

Hier kommen wir zu einem Punkt, in dem unser Stab viele andere Stäbe berührt. Der nächste Stab, den ich herauspicke, ist mit diesem so eng verbunden, wie die zwei Teile eines Dreschflegels: Der können/dürfen Unverständnis kann zu Katastrophe und Tod führen. Unbedingt die nächste Folge lesen!

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Kategorie:Polnisches Mikado

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